Grosse Kunst ist es, wenn es das Gewissen erweckt.
Als ich 2005 das erste Mal das wedische Museum in Moskau besuchte, ist mit mir etwas geschehen, was man kaum in Worte fassen kann. Natürlich ist der Kunstgeschmack bei jedem Menschen anders, sodass man darüber wohl kaum streiten kann. Doch bis dahin haben mich alle Gemälde recht kalt gelassen, weswegen ich auch so überrascht war. Als ich den ersten Raum betrat, sah ich sein letztes Bild „Mann mit Uhu“ und es erschütterte mich regelrecht. Ein wohliges Empfinden vom Scheitel bis in die Zehenspitzen stellte sich ein. Ein Gefühl, welches man wie „Heimkommen“ beschreiben könnte, so ein Glücksgefühl, dass man nach langer Suche am Ziel angekommen ist. Seitdem verspüre ich in mir einen Auftrag, dass wir seinen großen Traum von einer Galerie in Deutschland und Skandinavien erfüllen mögen. Denn kurz vor seiner ersten Vernissage in Göttingen ereilte ihn ein tragischer Tod.
Gerade heute offenbaren uns seine Bilder ihre enorme Kraft und es ist wirklich an der Zeit, dass die Menschen seine Werke kennenlernen. DasMuseum in Moskau hat uns gebeten, dass wir dies in Deutschland fördern mögen. Es ist für uns eine Ehrensache. So erfreut es mein Herz, dass sich Konstantin auch den deutschen Landen so stark verbunden fühlte. Viele seiner Bilder zeichnete er bei der Musik von Richard Wagner. Über diese Musik sagte er, dass er es kaum für möglich erachtet hätte, dass so etwas mit Musik überhaupt möglich sei. Im Rückblick können wir Ähnlichkeiten, was Visionen und Begeisterung betrifft, mit dem König Ludwig von Bayern erkennen. Das Schloss Neuschwanstein mit seinen vielen Gemälden ähnelt sehr der Kraft seiner Werke. Es scheint, als komme der Betrachter wie in eine andere Welt, eine Märchenwelt. Diese Art von Märchen, die Sagen unserer fast vergessenen Helden der Nibelungen und Edda.
Am 3. September 1942 wurde Konstantin Wasilyew in der Stadt Majkop geboren. 1949 kam er in ein Dorf namens Wasilyewo. Die Schönheit der dortigen Landschaft berührte Konstantin so sehr, dass er sie oft darstellte und sich von ihr inspirieren ließ. Im Jahr 1954 wurde in der Zeitung „Komsomolskaja Prawda“ eine Anzeige veröffentlicht, dass die Moskauer Kunstschule „W.J. Surikowa“ talentierte Schüler suche, damit man ihnen ein Kunststudium ermöglichen könne. Dies war eine Chance für Konstantin, die er schon mit elf Jahren ergriff.
Der Vorteil dieser Schule war, dass die berühmte „Tretjakow-Galerie“ gleich auf der anderen Straßenseite lag, und jeder Schüler sie beliebig nutzen konnten. Durch die Krankheit seines Vaters Alexej Alexejewitsch, musste er in Kasan weiter studieren. Dort stellte man allerdings schnell fest, dass Konstantin schon auf der höchsten Stufe eines Kunstmalers sei und man ihm als Schüler kaum noch etwas beibringen kann.
So machte er sich allein auf die Suche nach seiner Individualität. Er suchte sich in vielen Kunststilen. Oft brachten ihm die Ergebnisse keine Befriedigung und er zerstörte viele seiner Werke. Man sagt von K. Wasilyew, dass er sehr schnell und bei Nacht im Kerzenschein malte. Nacht, Farben und Leinwand! Erst jetzt erahnen wir, dass dies eine sehr große künstlerische sowie menschliche Selbstbeherrschung und auch Mut erfordert, etwas, das in unseren Tagen nur noch selten vorkommt. Dies bedeutet auch die Kraft der inneren Überzeugung, welche sich trotz des mangelnden materiellen Erfolges im großen Geist der Kunst erhebt. Als Künstler erfreut er sein Publikum neben seiner Zeichentechnik auch mit seinen genauen Kenntnissen der Geschichte und Archäologie.
Als sich Konstantin mit der nordischen Geschichte tiefer befasste, stellte er fest, dass viele skandinavischen Geschichten (Sagen und Märchen) die uralten Russischen widerspiegelten. Die Suche nach dem Grund des jahrhundertelangen Widerstandes zweier Völker, die sich im Geist und ihrer Kultur als Slawen und Germanen doch so nahestehen, wird den Künstler ständig beeinflussen. Als er von der Geometrie des goldenen Schnittes erfuhr, den schon die alten Griechen gebrauchten, beschloss Konstantin die mathematische Überprüfung harmonischer Gesetze. Er berechnete, wie jedes einzelne Bild aufgebaut werden muss. Es gab viele Themen und Persönlichkeiten, die Konstantin tief berührten. In einer dieser Persönlichkeiten fand er sich selbst wieder. Er spürte eine geistige Verbindung mit dem weltberühmten Schriftsteller Dostojewskij.
Auch in Richard Wagner sah er mehr als nur den bekannten Komponisten, sondern er sah ihn auch als Philosophen, Geschichtswissenschaftler, Poet und Dramaturgen. Viele wunderbare Bilder galten Richard Wagners Werken. Besonders einmalig gelang Konstantin die Darstellung des Feuers einer Kerze und wie es in der Hand eines Menschen dessen Geistesfeuer widerspiegeln kann. Die Grundidee des Autors ist der Kampf des starken und schönen Menschen. Ganz im Glauben an den Sieg des harmonischen Menschen und mit Blick nach vorne, malte Konstantin Wasilyew sein letztes Werk „Mann mit Uhu“. Ein Bild, wie als Krönung seines Kunstschaffens, das alle Themen in sich vereint. Hoch erfreut über das Ergebnis sagte er seiner geliebten Mutter, dass er jetzt seinen Stil gefunden habe. Auf dem Bild ist auch eine Papierrolle in Flammen mit der Aufschrift seines Namens und des Datums seines Todes dargestellt. Dieses Bild bestätigt den großen Wert des Lebens selbst, dessen ewigen Lauf und die Weiterbildung darin.
Erst in den letzten Monaten seines Lebens zeigte er seine Bilder der Öffentlichkeit. Nach der Schließung einer seiner Galerien am 29. Oktober 1976 um 18.00 Uhr hatte er noch einen Termin. Auf dem Weg dahin wurden Konstantin und sein Freund von einem Zug überfahren. Durch seine Bilder habe ich meine persönliche Beschreibung des großen Begriffes „Kunst“ gefunden. Dies hat er bei uns erreicht und dafür danken wir ihm. Genau solche Gedanken machen doch die größten Künstler unsterblich. Wir hoffen, dass er bei noch vielen Menschen solchen Anklang finden wird.