Neugestaltung der Räumlichkeiten des „Private Banking der Tiroler Sparkasse“ kuratiert von Francesca Interlenghi
Die Ereignisse der letzten Jahre – die Pandemiekrise, die Verschärfung der Klimakrise, die dramatischen Kriegsszenarien im Herzen Europas – haben tief verwurzelte Gewissheiten erschüttert. Sie haben uns gezeigt, dass wir, so technologisch und dominant wir auch sein mögen, Teil des natürlichen Kreislaufs sind und leicht dem unaufhaltsamen Evolutionsprozess erliegen, in dem unsere kleinen Wünsche in den Hintergrund rücken.
Ist die Hoffnung berechtigt, dass sich etwas ändern wird? Werden die gierigen großen Konglomerate wie nie zuvor den grassierenden Zynismus, den blinden Konsumismus und den Machthunger, der die Gemüter vernebelt, verändern? Um Annahmen für die nahe Zukunft zu treffen, haben wir uns ausgehend von einem Bankinstitut vorgestellt, dass sich etwas ändern würde, wenn auch nur für einen kurzen Frühling eines Neuen Humanismus. Der Mensch im Mittelpunkt und mit ihm das vollkommen unvollkommene, aber immer authentische Herz. Eine Rückbesinnung auf das Wesentliche, fast so als wäre es ein Zufluchtsort zum Schutz vor der Ungewissheit, die unsere gegenwärtige Zeit beherrscht.
Das von Francesca Interlenghi kuratierte Projekt des Private Banking der Tiroler Sparkasse „Neuer Humanismus“ wurde im Einklang mit der Vision der Sparkasse Private Banking realisiert, die wir eher als anthropozentrisch und weniger als ausschließlich wirtschaftlich definieren können. Und das nicht nur, weil sie den Menschen in den Mittelpunkt der Beziehungen stellt, indem sie qualitativ hochwertige und personalisierte Anlagelösungen bietet, die unter besonderer Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Risiko und Nutzen auf den Kriterien der Diversifizierung, Liquidität, Disziplin und Transparenz beruhen, sondern vor allem, weil ihr integrativer Ansatz, der auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden eingeht, Produkte und Dienstleistungen für alle gleichermaßen zugänglich macht. Die Betreuung von Vermögenswerten ist schließlich eine große Verantwortung und ein Privileg zugleich. Die Sparkasse, die sich seit jeher der Fragen der sozialen Verantwortung bewusst ist, hat den von der Europäischen Union eingeleiteten Weg zur Entwicklung eines nachhaltigen Finanzwesens durch einen harmonisierten Rechtsrahmen begrüßt. Die Berücksichtigung von Governance‑, Umwelt- und Sozialaspekten ist ein integraler Bestandteil des Auswahlprozesses der Investitionen der Erste Bank und Sparkassen Gruppe.
Das kuratorische Projekt zielt darauf ab, diese besonderen Werte hervorzuheben, die sich in 200 Jahren Sparkassentätigkeit gefestigt haben, und die tiefgründigere Seite ihrer Organisation durch einen suggestiven, spannenden und völlig neuen Weg zu veranschaulichen, der sich entlang der Linie der alchemistischen Farben schlängelt: Schwarz (nigredo), Weiß (albedo), Rot (rubedo) und Gold (citrinitas), die mit dem Ziel aufgenommen wurden, möglichst viele Werke der Sammlung hervorzuheben, auch wenn diese nach dem Mittelalter, etwa ab dem 15. Jahrhundert, auf nur drei – Nigredo, Albedo und Rubedo – reduziert werden. Eine durch die Kunst geführte Reflexion über die Existenz des Menschen in Bezug auf die Grundfarben des alchemistischen Prozesses: Sinn und Bedeutung einer Menschheit, die ihren eigenen semantischen Humus in eben diesem Schulungsverlauf finden kann. Und ein Aufbau, der im Einklang mit einer auf der spagyrischen Philosophie basierenden chromatischen Definition den Betrachter auf einer Reise zur Zentralität des Menschen begleitet.
Ungewissheit, Zerstreuung, Zersplitterung, Zerfall der Zeit, Individualismus und der Verlust dauerhafter Werte sind die Adjektive, die unsere postmoderne Epoche kennzeichnen, auf die die Kunst mehr als jede andere Disziplin wirksame Antworten zu geben vermag. So schreibt der Kunstkritiker und Kurator Nicolas Bourriaud in seinem Buch »Radikant. Für eine Ästhetik der Globalisierung«: »Betrachtet man die heutige Kunstproduktion, so scheint es, als würden neue Arten von Verträgen zwischen Kultur und Prekarität, zwischen der physischen Dauer des Kunstwerks und seiner Dauer als Information geschlossen […]. Meine Hypothese ist, dass die Kunst nicht nur die Mittel gefunden zu haben scheint, um diesem neuen instabilen Umfeld zu widerstehen, sondern dass sie daraus neue Kraft geschöpft hat, und dass sich eine neue Form der Kultur und neue Arten des formalen Schreibens gerade in einem mentalen und materiellen Universum entwickeln konnten, dessen Prekarität die zugrunde liegende Leinwand bildet.
Daher bestand die methodische Wahl darin, Inspiration und Kraft aus dieser Prekarität zu schöpfen, vielen Stimmen eine Stimme zu geben und mit einem polyphonen Ansatz zu experimentieren, um die Werke, aus denen die Sammlung besteht, aufzuwerten. Jedes Fragment entwickelt sein eigenes Thema wie ein Solist, der einer Partitur folgt. Es artikuliert sich nach seinen eigenen Regeln und ist zugleich bedingt durch die melodischen Entwicklungen aller anderen. Aus dem Ensemble ausgewählter Solostimmen ergibt sich die harmonische Ausrichtung dieses inklusiven Kunstwegs, das auf einen individuell zugeschnittenen Kunst- und Kulturgenuss abzielt.
Das kuratorische Projekt ist nicht stereotyp und keineswegs konventionell, sondern bringt interessante ästhetische Lösungen hervor, die sich zwischen Tradition und Moderne bewegen. Die Tradition ist die der alchemistischen Thematik, die sich im 1. Jahrhundert n. Chr. in Ägypten entwickelte und deren Spuren sich aber bereits in den archaischen chinesischen und indischen Zivilisationen finden lassen. Ihr wesentliches Motiv ist die Möglichkeit der gegenseitigen Wandelbarkeit von Metallen, die an deren Basis einen identischen gemeinsamen Rohstoff voraussetzt (der mit verschiedenen Namen bezeichnet wird: göttliches Wasser, glänzendes Silber, Stein der Weisen), in den die Metalle eingebracht werden können, um umgewandelt und mit anderen Eigenschaften versehen zu werden. Dieser Prozess verweist auf einen komplexeren metaphysisch-kosmologischen Hintergrund, in dem das Thema der radikalen Einheit des Ganzen vorherrscht und in dem die alchemistische Operation als Nachahmung und Reproduktion des ursprünglichen kreativen Prozesses erscheint. Dieses Konzept wird immer von einem panvitalistischen Substrat begleitet: Die Wirklichkeit wird von geheimen Korrespondenzen beherrscht, die es ermöglichen, Umwandlungsprozesse auszulösen, indem man auf einen Teil des Kosmos einwirkt, sofern dieser Vorgang Auswirkungen auf alle anderen hat; eine Korrespondenz also von Wesen von verschiedenen Ebenen der Wirklichkeit, die alle durch ein Gesetz der Sympathie und Antipathie miteinander verbunden sind, das nicht nur die Voraussetzung der Alchemie, sondern jeder magischen Operation ist, die mit geheimen Mitteln versucht, die im Kosmos vorhandenen okkulten Kräfte zu erfassen, um natürliche Prozesse auszulösen oder zu verändern. Die Zeitgemäßheit steht hingegen im Zusammenhang mit einem heute unausweichlichen Thema, nämlich dem der ökologischen Nachhaltigkeit und der Suche nach Entwicklungsbedingungen, welche die Befriedigung der Bedürfnisse der heutigen Generationen gewährleisten können, ohne die Möglichkeit künftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen zu entwickeln. Was die nächste Zukunft schon jetzt zu verlangen scheint, ist ein größeres Bewusstsein: Gewissen und Entscheidungsfreiheit und damit Menschlichkeit.
Eine Menschheit, die fähig ist, die Gegenwart zu entziffern, die auch aus dem Anderen besteht: aus anderen Völkern, anderen Sitten, anderen Gebräuchen. Die Gegenwart besteht aus einem städtischen Gefüge und Beziehungen, aus Kultur, Information und Arbeit. Die Gegenwart ist geprägt von Migration, Flucht, neuen geopolitischen Strukturen und dem Verhältnis zur Umwelt, das eine lebensnotwendige Bedeutung erlangt hat. Das hohe Konsumniveau zwingt uns zu einem Paradigmenwechsel, zu kulturellen und bewusstseinsbildenden Maßnahmen, die einen Wandel hin zu einer nachhaltigen Zukunft fördern können. Und eine nachhaltige Zukunft beginnt mit verantwortungsvollen Investitionen. Der Klimawandel zwingt uns, über die Folgen nachzudenken, die er für die lokale und globale Wirtschaft hat und haben wird, er hat aber auch Investitionsperspektiven eröffnet: Man spricht jetzt zunehmend von grünen Investitionen. Sozial verantwortliche Investitionen, die auf den Umweltschutz ausgerichtet sind und auf die Finanzierung von Projekten im Zusammenhang mit erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Wind, Geothermie, Wasserkraft) abzielen; Unterstützung der Dekarbonisierung von Unternehmen; Investitionen in neue Technologien mit geringer Umweltbelastung; Förderung der Entwicklung neuer ökologischer Brennstoffe.
Der Weg zu einem neuen Humanismus führt unweigerlich auch über neue Erfahrungen in Form der Kontamination. Durch die Hybridisierung von beruflichen und künstlerischen Orten und durch die Vermischung von konkreten und poetischen Visionen haben wir beschlossen, eine doppelte Erzählung zu schaffen. Ein Weg über zwei Straßen – eine alchemistische und eine nachhaltige – die die Möglichkeit geben, über den Tellerrand hinauszuschauen und Schönheit zu sehen, wo man sie nicht erwarten würden. Dabei haben wir uns von der Welt der Kunst inspirieren lassen, gerade weil sie als Katalysator für Veränderungen fungiert und die Emotionen und die Faszination, die sie hervorrufen kann, nutzt.
Bereits im Empfangsbereich werden den Kund:innen die Werte, Ziele und Traditionen des Private Banking näher gebracht. Dazu gestaltete die Kuratorin Francesca Interlenghi eine Wortcollage für die Glaseingangstüre, in der sich die Begrifflichkeiten »Neuer Humanismus«, »nachhaltigkeit«, »hybrid«, »neue erfahrungen«, »back to human« und »renaissance« wiederfinden.
Wolfgang Lamche – Form IV – Bronze Skulptur
NIGREDO
In der Alchemie bedeutet der lateinische Begriff »nigredo« die »schwarze Farbe« oder »Schwärze«. Die schwarze Phase des »großen Werkes« ist der erste Schritt im Prozess der Neuerschaffung. Die Materie muss zersetzt werden, damit sie in ihren ursprünglichen Zustand des ursprünglichen Chaos zurückkehren kann. Anschließend setzen sich die Elemente in einer höheren Synthese wieder zusammen.
Julia Bornefeld – o.Titel – Mischtechnik – Papier/Plastikfolie
ALBEDO
Das »albedo«, ein lateinischer Begriff, der »Weiß« bedeutet und in der Alchemie die Phasen des »großen Werkes« und der »weißen Arbeit« darstellt. Die formlose Masse, die aus dem »nigredo« hervorgeht, wird in der weißen Phase auf das »rubedo« vorbereitet. In der chemischen Sprache entspricht sie der Destillation, auf einer metaphorischen Ebene steht sie für die Befreiung der Seele von ihren Fesseln. Sie stellt die Morgendämmerung und die Wiedergeburt dar, manchmal symbolisiert durch eine Frau oder eine weiße Rose. Das Endziel des »albedo« ist die Kreation einer vitalen Flüssigkeit, die wie ein Elixier des langen Lebens wirkt.
Peter Kogler – Akt – Pastell/Tusche
RUBEDO
Da Rot von den Alchemisten als die Farbe zwischen Schwarz und Weiß, zwischen Licht und Dunkelheit angesehen wird, steht »rubedo« für die Wiedervereinigung der Gegensätze, das Schließen des Kreises, die Vereinigung von Geist und Materie, von männlich oder weiblich oder von Sonne und Mond. In ähnlicher Weise, wie das »nigredo« in der Alchemie dem physischen Körper und das »albedo« der Seele entspricht, identifiziert nun das »rubedo« seinen Geist und somit den höchsten Teil der drei konstituierenden Organe des menschlichen Wesens.
Anton Christian – Rehaugen – Steindruck
CITRINITAS
Gold steht bei den Alchemisten des Mittelalters für erstarrtes Licht. Das Edelmetall stellt die Verbindung zwischen dem männlichen und weiblichen Prinzip dar. Damit ist Gold auch ein Symbol für das erreichte Ziel und das Ideal der Vollkommenheit. »Citrinitas« bezeichnet in der Alchemie die »gelbe Phase« des »großen Werkes«.
Eva Schlegel – o.Titel – Öl auf Gips
CAERULEUS & VIRIDIS
Die Farben Grün und Blau stehen für die lateinischen Begriffe »viridis« und »caeruleus«, welche Erde und Himmel bedeuten. Sie sollen das Bewusstsein und den freien Willen der Menschheit darstellen. Eine Menschheit, die fähig ist, die Gegenwart zu lesen, die auch durch das »Andere« und durch Diversität zu einer Besonderheit wird. Die Gegenwart, die aus urbanen Verflechtungen und Beziehungen, aus Kultur, Information und Arbeit besteht. Die Gegenwart, die aus unserem Verhältnis zur Umwelt, den geopolitischen Strukturen und dem zwischenmenschlichen Umgang besteht. Die Gegenwart, die uns zu einem Paradigmenwechsel, zu kulturellen Aktionen und zur Bewusstseinsweiterbildung inspiriert. Heute sprechen wir in der Tat zunehmend über grüne Investitionen in neue Technologien, die einen Mehrwert für Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft hervorbringen.
Hellmut Bruch – o.Titel (Sonne) – Acrylglas