Here I am – Hier bin ich
Die Kunst von Katharien De Villiers (Südafrika, 1991) durchquert Zeit und Raum, indem sie sich auf eine Vielzahl unterschiedlicher Elemente bezieht: Objekte aus der Vergangenheit, die unsere Wahrnehmung der Gegenwart neu formen, Bilder aus fernen Welten, die in multimateriellen Werken koexistieren. Ihr Stil, den man als gelungene Kombination aus Malerei und Bildhauerei bezeichnen könnte, zeichnet sich durch Fotografien aus, die mittels der Collagetechnik dreidimensional zu scheinbar zufälligen Bilden zusammengesetzt und dann derart gemalt sind, dass sie ein zusammenhängendes Ganzes bilden und dabei Leinwände entstehen lassen, die paradoxe Darstellungen des Alltagslebens inszenieren. Sie enthalten Fragmente von Erfahrungen und Erinnerungen, die durch die lebhafte und homogene Verwendung von Farben und die Gegenüberstellung verschiedener Materialien noch prägnanter werden: Emaille und Glitter, bedruckte Leinwände, oft mit Tarnmustern, Spitzen und Posamenten. Eine Art surrealer Realismus, in dem neben dem Element der Wahrheit, dem leicht identifizierbaren Element der Realität, auch das Element der Fiktion koexistiert – das Element der Unwirklichkeit, das durch die Dekontextualisierung der Fotografien aus ihrem ursprünglichen Rahmen und ihre Verlagerung an einen anderen Ort mit neuen Konturen generiert wird.
Das Endergebnis ist ein Palimpsest aus realen und irrealen Elementen, vertrauten Bildern – Hunde, Alltagsmöbel, Plastikfrüchte, Palmen –, die so neu zusammengesetzt werden, dass eine gewisse verwirrende Komplexität entsteht; die ferner in dem von der Künstlerin ausgearbeiteten ursprünglichen Szenario erkennbar, aber nicht unbedingt unterscheidbar sind in einem noch nie dagewesenen Ganzen, das aus so vielen, zunächst unbekannten Komponenten besteht, die aber in einem Dialog miteinander stehen, in ständiger Spannung auf der Suche nach einer kompositorischen Balance. Durch den Prozess der Collage wird das Ausgangssujet im Werk verdrängt, aber gleichzeitig findet die Collage, wenn sie mit Farbe behandelt wird, eine epiphanische Anordnung und kommt in Einklang mit der neu entstehenden Ordnung. Die Einfachheit der dargestellten Elemente lässt sie selbst zu Symbolen werden. Entzifferbare Codes, die theoretisch eine universelle Sprache sprechen, können den Betrachter dazu anregen, das interpretative, semantische und relationale Potenzial der Arbeit zu erkunden. Der Betrachter wird von allen Seiten umworben und es ist ihm unmöglich, mit einem einzigen Blick das zu erfassen, was ich als methodisches Chaos bezeichnet habe, und damit ein Werk zu definieren, das ein kontinuierliches Hinterfragen der Raum-Zeit-Koordinaten ist, die es enthalten und umgeben.
De Villiers interessiert sich für die Dynamik des Ausstellungsraums, in dem ihre Werke leben: »Ich stelle mir oft vor, eine Klettkugel zu sein, die durch Raum und Zeit rollt, an der Gedanken und Erfahrungen hängen bleiben.« Die Künstlerin erschafft das Kunstwerk während des Prozesses des Rollens, fügt Materialien aus unterschiedlichen Realitätsebenen hinzu und wird, wie der französische Kunstkritiker und Kurator Nicolas Bourriaud in seinem Buch »Inklusionen. Ästhetik des Kapitalozäns« erklärt, zum Orchesterdirigent, Hirte und Leiter. Wenn man versuchen wollte, genau zu beschreiben, was die Künstler von heute tun, müsste man schreiben, dass sie Formen ebenso dirigieren wie sie sie produzieren. Wenn ein Künstler organische Elemente, Industrieprodukte, Klänge, Bilder aus heterogenen Quellen oder schriftliche Spuren in einem einzigen Werk oder einer Ausstellung zusammenführt, wird er zum Hirten, der eine Ansammlung von Elementen zur Bildung einer Einheit führt. Wenn andererseits ein Kunstwerk offensichtlich die Absichten, die Kultur und die Eigenheiten seines Urhebers enthält, führt es auch Informationen aus verschiedenen externen Quellen zu uns.
Die Mailänder Galerie Osart hat De Villiers kürzlich ihre erste Einzelausstellung in Italien mit dem Titel »Echo Me/ Here I am/ Ecco Mi« gewidmet und setzt damit ihre Erkundung der afrikanischen Kunstszene fort. Eine Ausstellung, die, ausgehend von ihrem Titel, die Bestätigung einer physischen Präsenz und das Signal eines Echos ist, das von einer Hemisphäre zur anderen fließt, einer Botschaft, die nachhallt. Leitmotiv des gesamten Ausstellungsprojekts ist das Diorama: die verkleinerte Reproduktion einer Szenografie, die unterschiedliche Schauplätze nachstellt, vom Lebensraum der Tiere bis zu historischen Momenten, von Alltagsszenen bis zu mythologischen oder märchenhaften Ereignissen. Wie im Diorama des 19. Jahrhunderts werden unter dem Vorwand, Menschen und Tiere in einem scheinbar gewöhnlichen Kontext zu zeigen, die Diskrepanz und der Konflikt zwischen der Realität und unserer Wahrnehmung, die Diskrepanz zwischen einem Ereignis und seiner Erzählung, zwischen dem, was geschehen ist, und dem, woran man sich an dieses Ereignis erinnern kann, hervorgehoben, wodurch der Schwerpunkt auf das Thema der Erinnerung und ihrer Formbarkeit verlagert wird.
Die Künstlerin schreibt in einem der Begleittexte der Ausstellung: »This collection of collages are made up of photographs I have taken all over the world – from South Africa to Antarctica, Spain, Patagonia, Ethiopia, Norway and Sweden. In stark contrast to the photographs I have merged drawings of imaginings (ideas, presented as assumptions, constructed from estimates, data and fact) from The Emergence of Man, published in 1972 as a Time Life Books encyclopedic series. These drawings are of Australopithecines on photographs of unknown landscapes. When brought together, this juxtaposition of time and place becomes a woven dreamscape of possibilities- possibilities of truths from our mysterious past and possibilities of our current positionally, standing in our ancestral lineage and the multitude of timelines we exist and evolve alongside.«
Die gesamte künstlerische Produktion von De Villiers entfaltet sich im Raum zwischen rationalem Sehen und emotionaler Wahrnehmung, an der Schnittstelle zwischen Rationalismus und Fiktion. Indem sie sie in einen Dialog bringt, eine Beziehung stiller Wechselseitigkeit zwischen neuen und alten Erzählungen herstellt, hinterfragt die Künstlerin unsere Beziehung zur Geschichte, die Darstellung, die wir von ihr geben, und unsere Beziehung zur Umwelt. Sie geht den Wurzeln und dem Mythos nach und reflektiert, wie unser Blick sie ständig verändert. Die Collagen, die aus Fotografien bestehen, bei denen es sich letztlich um Erinnerungen handelt, untersuchen, wie diese miteinander spielen und sich gegenseitig beeinflussen. Letztlich handelt es sich um visuelle Arbeiten, in denen Erinnerungen zu unterschiedlichen Kombinationen arrangiert werden. Und obwohl von persönlichen Erinnerungen ausgegangen wird, ermöglicht ihre Einführung in die Öffentlichkeit eine weitere Transformation der Beziehung zu ihnen. Eine Beziehung, die sich im Laufe der Zeit verändert.
Die gesamte künstlerische Produktion von De Villiers entfaltet sich im Raum zwischen rationalem Sehen und emotionaler Wahrnehmung, an der Schnittstelle zwischen Rationalismus und Fiktion. Indem sie sie in einen Dialog bringt, eine Beziehung stiller Wechselseitigkeit zwischen neuen und alten Erzählungen herstellt, hinterfragt die Künstlerin unsere Beziehung zur Geschichte, die Darstellung, die wir von ihr geben, und unsere Beziehung zur Umwelt. Sie geht den Wurzeln und dem Mythos nach und reflektiert, wie unser Blick sie ständig verändert. Die Collagen, die aus Fotografien bestehen, bei denen es sich letztlich um Erinnerungen handelt, untersuchen, wie diese miteinander spielen und sich gegenseitig beeinflussen. Letztlich handelt es sich um visuelle Arbeiten, in denen Erinnerungen zu unterschiedlichen Kombinationen arrangiert werden. Und obwohl von persönlichen Erinnerungen ausgegangen wird, ermöglicht ihre Einführung in die Öffentlichkeit eine weitere Transformation der Beziehung zu ihnen. Eine Beziehung, die sich im Laufe der Zeit verändert.
Aber Zeit ist kein eindeutiges objektives Kriterium. Es gebe viele verschiedene Zeitlinien, behauptet die Künstlerin. Und obwohl unsere Zeitwahrnehmung mit der Vorstellung von etwas verbunden ist, das linear und messbar ist, fließen die Zeitlinien mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Die Ozeane bewegen sich, die Sterne bewegen sich, die Erdplatten kollidieren miteinander und lassen Berge entstehen und Lebewesen entwickeln sich. Aber alle Organismen strahlen auf ihre ganz eigene und einzigartige Weise ihre Energie aus. Wie hat sich unsere Beziehung zu diesen ursprünglichen Elementen im Laufe der Zeit entwickelt? Mit Felsen, Tieren, Wasser, Sonne, Feuer oder Wolken?