Die Burg ist eine zu Stein gewordene Verpflichtung, eine stets sich erneuernde Herausforderung. Auf einer Burg, genauer gesagt, auf einer Halbruine aufzuwachsen, fördert die angeborene Neugier eines jeden Kindes, macht wissbegierig, erfinderisch und vor allem aufgeschlossen für Innovative und alternative Lebenswege.
Verborgene schauspielerische Talente kommen dabei ans Licht: Man kann an ein und demselben Tag Torhüter, Handwerker, Küchengehilfe, Privatgelehrter und Schlossherr sein. Immer geht es dabei darum, die Rolle so gut wie möglich zu spielen, einen häufigen Kleiderwechsel muss man in Kauf nehmen. Dafür lernt man im Laufe der Zeit jeden Stein und jeden Ziegel der Burganlage kennen. Und so wie ein Bergbauer, der seinen Acker mehrmals im Leben wortwörtlich auf seinem „Buggl“ hatte, da er die stets herabrutschende, gute Erde alle paar Jahre den Steilhang wieder hinauftragen musste, eine besonders innige Beziehung zu seinem Fleckchen Erde entwickelt, so kann auch das Erhalten und Pflegen historischer Stätten in manchen Menschen eine besondere Heimatverbundenheit entfachen. So jedenfalls erging es mir in meiner Jugend: Forschung und Studium führten mich auch für längere Zeit auf mehrere Kontinente, doch am Ende zog es mich immer wieder zurück zu jenem Ort, wo ich meine Kindheit verbracht hatte.
Auf diese Weise entstand das, was ich als „Brunnenburg Paideuma“ bezeichne. Das griechische Wort bedeutet „Erziehung, Bildung, auch Selbsterziehung“. Der Anthropologe Leo Frobenius benützte es, um die „Seele einer Kultur“ zu beschreiben, für mich ist es ein Bildungskonzept, welches auf einem respektvollen Umgang mit der Natur und auf der Wertschätzung jener Handfertigkeit und Geschicklichkeit fußt, die es zum Beispiel den Tiroler Bergbauern ermöglichte, unter äußerst kargen Bedingungen am Steilhang zu überleben. Was hat die Brunnenburg damit zu tun? Hier bündelten sich verschiedene Inspirationsquellen: Da war einmal der Großvater, der Dichter, der hier dazu aufgerufen hat, „Menschen zu sein, nicht Verheerer“ (Ezra Pound, Letzte Texte). Eine Burg ist ein Denkmal, aber auch ein Bauernhof, eine Trockensteinmauer oder eine gewachsene Landschaft können Denkmäler sein.
Die verheerende Macht des in der Nachkriegszeit auch hierzulande einsetzenden Profitdenkens hat einen Großteil dieser Denkmäler für immer hinweggerafft. Der bäuerlichen Sachkultur und vor allem dem damit verbundenen Wissen und den Überlieferungen wurde die Burg mit ihrem Landwirtschaftsmuseum zur rettenden Arche. Da wirkte der Einfluss der Eltern: Vom Vater, dem Archäologen, erbte ich wohl die Sammellust, von der Mutter, die auf einem kleinen Bauernhof im Pustertal aufwuchs, das einfühlsame Auge des Ethnologen und die Liebe zur Mundart. Weil angeborene Neugierde und Forschungsdrang nicht von Subventionen und öffentlichen Akklamationen abhängen, konnte ich gleichgesinnte Freunde für ein nach vorne offenes Museumsprojekt begeistern, das nunmehr seit vierzig Jahren wächst und gedeiht.
Hinzu kam, mit tatkräftiger Hilfe meiner Familie, ein internationales Studienzentrum mit Seminaren und Symposien, ein Bauernhof mit pestizidfreien Weinbergen, Kastanienhainen und bedrohten Haustierrassen, literarische und musikalische Begegnungen und seit drei Jahren auch ein Cello-Festival, kurzum das „Brunnenburg Paideuma“.
Was ich mir aus alledem erwarte? Als Heimatpfleger erwarte ich mir beispielsweise von der Politik mehr Mut zur eigenen Geschichte und ein unzweideutiges Bekenntnis zu identitätsstiftenden Symbolen und Orten, allen voran Schloss Tirol, der Wiege des Landes. Als Kulturtreibender erwarte ich das Ende der bequemen, gegenseitigen Bauchbepinselung, die nach wie vor die Kulturszene beherrscht und ein gemeinsames Aufbäumen aller kritisch denkenden Menschen gegen die bornierte Bürokratie, egal ob aus Brüssel, Rom oder Bozen, die uns den Weg zu unserem Glück vorschreiben und vorkauen möchte.
Aber machen Sie sich selbst ein Bild: besuchen Sie unser Museum auf der Brunnenburg in Dorf Tirol.
Homepage: www.schlosstirol.it