Ein Gespräch mit Felix Baumgartner für die Ausgabe HIGHSPEED
Wenn wir uns in dieser Ausgabe mit Geschwindigkeit und Beschleunigung befassen, dann geht es auch um das Ertasten und das Überschreiten von Grenzen. Das Wort Highspeed ist aufgeladen mit Risiko und gerade dort liegt vielfach der Reiz. Sogar wir suchen diesen Reiz und agieren unter Umständen riskant, wenn die Redaktion die Grenze der Kunst klar überschreitet und ihren Blick über den Tellerrand hinaus wagt. Schließlich hat sich auch schon Leonardo Da Vinci für mehr interessiert als die Kunst, und zwar insbesondere für die Kraft der Elemente. Da Vinci träumte 1463 davon, dem Menschen Flügel zu bauen, um ihn schweben zu lassen. Die Idee dafür stammte Überlieferungen zufolge vom englischen Franziskanermönch Roger Bacon, der schon 200 Jahre zuvor meinte: „Man kann auch fliegende Maschinen bauen. Es genügt, dass ein Mann in der Mitte eine Vorrichtung betätigt, die künstliche Flügel gleich denen eines Vogels in schlagartige Bewegungen setzt.“ Bereits in der griechischen Mythologie entwickelte Dädalus Gestelle mit Vogelfedern, um aus einem Labyrinth zu gelangen. Wie es für Ikarus endete, wissen wir alle. Fliegen hat eben immer auch den Beigeschmack von Hochmut. 1485 entwarf Leonardo da Vinci sogar einen ersten Fallschirm. Die Skizze zeigt ein Froschmännchen, das an einem Zeltdach hängt. Kritiker*innen meinen, an diese Vision hätte er wohl selbst nicht geglaubt, so klein und undetailliert sei die Zeichnung. Auch, wenn der Traum vom Fliegen für Leonardo da Vinci ein Traum blieb, so inspirierten seine skizzierten Gedanken über die Physik und Mechanik des Vogelflugs viele Generationen nach ihm.
Am 14. Oktober 2012, als es im US-Bundesstaat New Mexico hieß „Mission Red Bull Stratos erfüllt“, ging es der Menschheit schon lange nicht mehr ums Fliegen oder Fallschirm-Springen, sondern es ging darum, dass der erste Mensch aus 39.045 Metern Höhe mit 1.357,6 km/h im freien Fall auf die Erde zu rast und damit drei Weltrekorde aufstellt: Die höchste bemannte Ballonfahrt, den höchsten Absprung, sowie den schnellsten freien Fall. Als erster Mensch durchbrach Felix Baumgartner knapp 550 Jahre nach Leonardo Da Vincis Konstruktion einer Tragschraube die Schallmauer ohne Flugkörper – und bewies damit, dass der menschliche Körper den Kräften der rasanten Geschwindigkeit standhalten würde. Was hätte wohl Da Vinci dazu gesagt? Vor dem Absprung meinte Baumgartner: „Manchmal muss man wirklich hoch steigen, um zu erkennen, wie klein man ist!“ und nahm damit jeglichem Hochmut der Menschheit den Wind aus den Segeln.
Wenn wir also Highspeed thematisieren, dann sind diese 1.357,6 km/h im freien Fall eben das Ereignis in Sachen Höchstgeschwindigkeit und wir müssen mehr darüber in Erfahrung bringen. Es gibt nur einen, der uns hier einen Einblick gewähren kann, nämlich Felix Baumgartner selbst. Wir treffen den in Salzburg aufgewachsenen Grenzgänger in der Schweiz, wo er seinen Lebensmittelpunkt hat. Für ein Gespräch mit Felix Baumgartner sollte man definitiv Zeit mitbringen. Der eloquente Sportler ist nämlich ein richtig guter Geschichten-Erzähler. Es gelingt ihm, sein Gegenüber mit gekonnter visionärer Bildsprache in seinen Bann zu ziehen, und die Zeit vergeht wie im Fluge. Das ist wohl auch ein Grund dafür, warum Felix Baumgartner international ein sehr beliebter Vortragender ist: „Meine Visionen sind immer bildhaft – ich sehe Bilder. Mit 5 Jahren habe ich bereits gezeichnet, dass ich an einem Fallschirm am Himmel bin und unten meine Eltern und mein Bruder stehen. Ich bin hoch oben, ganz in der Nähe der Sonne und unter mir die Welt. Ich habe als Fünfjähriger etwas gezeichnet, das ich mit 38 umgesetzt habe. Für mich ist das eindeutig Ausdruck der Macht der Bilder. Ich habe ein Buch zuhause, in dem ich alle meine Sprünge skizziert habe, ich muss meine Bilder im Kopf nämlich zu Papier bringen, es geht gar nicht anders.“
Ich brauche keine Leute, die mir sagen, was nicht geht. Ich suche Menschen, die zu mir sagen: Lass uns das Unmögliche versuchen!
Angesprochen auf seine Kindheit, erzählt Baumgartner, dass er sehr konservativ aufgewachsen ist. Sein Vater war Tischler, seine Mutter kam von einem Bauernhof in Oberösterreich und ist in einer Familie mit 15 Kindern aufgewachsen. Sie war die Älteste und hat sich um alle ihre Geschwister gekümmert: „Meine Mutter war herzlich, sehr sozial, mein Vater war eher hart, ein klassischer Patriarch, er ist sehr akribisch und hat mich handwerklich sehr gefördert.“ Schon als Kind kletterte Felix gerne auf Bäume, wollte die Welt stets von oben sehen. Sport wurde in seiner Familie nicht gefördert, vor allem kein riskanter Sport. Im Gegenteil: Wenn er mit seinem Bruder im Schwimmbad vom Turm springen wollte, hat sein Vater es verboten, weil zu gefährlich. Für Baumgartner war damals klar, dass er ein Sieger sein will, nicht in einem Mannschaftssport, sondern alleine. Er suchte den Wettkampf, immer und überall. „Ich war immer fasziniert von Menschen, die der Welt etwas hinterlassen haben, so etwas wie einen Fußabdruck. Ich wusste lange nicht, wo meine Stärken sind. Dann habe ich über einen Bekannten der Familie den Fallschirm entdeckt.“ Eine Herausforderung war dabei immer die Finanzierung, denn Fallschirmspringen war ein teurer Sport. Der junge Felix Baumgartner hat eine Ausbildung zum Maschinenbauer und KFZ-Mechaniker gemacht, und bewarb sich anschließend beim Militär, um seinen Traum des Fallschirmspringens in die Realität umzusetzen. Seinen beruflichen Weg musste er sich selbst ebnen, denn wer will schon einen illegalen Base-Springer managen, also musste er sich vieles selbst beibringen. Beim Militär konnte Baumgartner dann professionell springen und wurde schnell besser. Der USAmerikaner Tracy Lee Walker hat ihm das Base-Springen beigebracht und 1996 sind die beiden gemeinsam in die USA, um den ersten Sprung zu machen: „Gelebt haben wir damals wie die Hunde, weil wir kein Geld hatten. Diese Erfahrung hat mir geholfen, trotz aller Erfolge nie die Erdung zu verlieren, denn ich weiß wie es ist, kein Geld zu haben.“
Das war ein erster essentieller Schritt für seine weitere Karriere. „Fliegen und Springen, das ist meine Welt. Ich bin ein Vogel und kein Fisch. Ich weiß sehr genau, was ich kann und was ich nicht kann, und arbeite ausschließlich an meinen Stärken und nicht an meinen Schwächen. Deshalb bin ich erfolgreich. Fallschirmspringen war meine Welt.“ Baumgartner hat ein Jahr später erneut in den USA beim ersten Wettbewerb mitgemacht und wurde auf Anhieb Weltmeister. Im Sinne der Eigenvermarktung, die ihm wohl von Natur aus gegeben war, hat er nach diesem Weltmeistertitel in Europa Sprünge umgesetzt, sie gefilmt und versucht, das Material den Sendern zu verkaufen und die Fotos den Redaktionen. „Damals gab es noch kein Social Media, keine Likes und keine Clicks. Ich musste nebenbei auf Baustellen arbeiten, um das alles zu finanzieren. Ich habe mit 29 noch zuhause gelebt, in meinem Kinderzimmer und dort auch meinen ersten Red Bull Sponsor-Vertrag unterzeichnet. Das war keine einfache Zeit. Mein Vater hat die Welt, in der ich mich bewegt habe, nie verstanden, er wollte immer, dass ich nicht springe, sondern einer normalen Arbeit nachgehe. Ich wollte es aber unbedingt ausprobieren, denn ich habe an meinen Traum geglaubt.“ Felix Baumgartner stellt sich nur Herausforderungen, von denen er auch überzeugt ist, dass er sie zu Ende bringt. Er ist der Auffassung, dass viele Menschen ihre Ziele nur deshalb aus den Augen verlieren, weil das Ziel sehr klein ist und das Problem im Verhältnis dazu zu groß. „Bei mir ist das Ziel immer sehr groß und egal, wie groß das Problem ist, ich sehe das Ziel trotzdem noch. Ich würde gerne tanzen können oder Spanisch sprechen, aber der Weg ist mir zu beschwerlich und das Ziel zu klein, deshalb mache ich mich gar nicht erst auf den Weg.“ Auf das Risiko seines Sports angesprochen, hat Baumgartner eine ganz klare Positionierung: „Mir geht es weder um Rekordjagd noch um Adrenalin, ich bin eine der vorsichtigsten Personen, die es gibt. Ich manage sehr intensiv die Risiken. Erst dann, wenn ich 100%ig sicher bin, gehe ich es an.“ Er erzählt uns, dass nicht alle Base-Jumper*innen so sind. Es gibt manche, die haben immer eine*n in der Gruppe dabei, der*die z. B. bei einem Höhlensprung als erste*s springt und dann den anderen erklärt, was da unten überhaupt los ist. Das ist ganz und gar nicht Baumgartners Zugang. Im Sinne des Risikomanagements seilt er sich Tage davor ab, schaut sich alles an, hält ein Bergeteam und einen Rettungshubschrauber bereit. All das ist natürlich auch eine Finanzierungsfrage, doch für seinen Langzeitpartner Red Bull war klar, dass das zur professionellen Vorbereitung dazugehört.
„Das ist wie eine Feuerversicherung. Die kostet viel Geld und du brauchst sie wahrscheinlich nie. Wenn es dann aber doch brennt, bist du froh, dass du die Versicherung hast.“ Felix Baumgartner startet viele Projekte mit Unwissenheit, aber durch die intensive Vorbereitung eignet er sich das Wissen an. Er kann das Risiko nicht 100%ig eingrenzen, aber „ich wäre kein Profi wenn es 50/50 wäre, da kann ich auch ins Casino gehen“, meint er. Es geht also bei vielen Projekten gar nicht rein um den Sprung, um die Rekorde und die Geschwindigkeit, sondern viel mehr um die spannende Reise dorthin. „Ich bin ein reiner Kopfmensch bei der Planung und kann Emotionen gut ausblenden. Ich bin kein Verfechter von Glück, ich positioniere mich zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle und dann kommt vieles von alleine.“ Es geht ihm nicht um höher, schneller, weiter. Sein Anspruch ist es, Projekte umzusetzen, die, bis auf die Tatsache, dass sie in der Luft stattfinden und einen Fallschirm benötigen, für sich stehen. In seinen Augen ist nicht der Ärmelkanal schwieriger als der Sprung von der Jesusstatue in Rio oder der Sprung aus der Stratosphäre. Jeder Sprung hat seine Berechtigung, seine eigene Herausforderung und seine eigene Intensität. „Es war beispielsweise bei meinem Sprung in Rio nicht mein Anspruch, den Rekord für den niedrigsten Sprung der Welt aufzustellen, sondern von der rechten Hand Jesus zu springen. Mir war klar, dass dieses anmutige Bild Geschichte schreibt, und nicht der Rekord.“
Auch hinter dem Sprung aus der Stratosphäre steckte sehr viel strategische Planung und Forschung. Insgesamt 7 Jahre Vorbereitungszeit haben er und sein zeitweise bis zu 150-köpfiges Team benötigt, bis das Ereignis im Oktober 2012 erfolgreich in die Geschichte der Menschheit einging. Der freiheitsliebende Baumgartner blickt auf diese 7 Jahre auch durchaus realistisch zurück: „Ich habe mich gefühlt wie in einem Gefängnis. Du hast auf einmal 150 Leute um dich herum und bist denen völlig ausgeliefert, weil du alles glauben musst, was sie sagen. Ich habe mir in kurzer Zeit selber ein unglaubliches Fachwissen angeeignet, habe mich eingelesen, damit ich mich auskenne, um aus diesem ganzen Portfolio an Ratschlägen, die für mich richtigen auszuwählen. Jedes Jahr habe ich zu Silvester angestoßen und dachte, dieses Jahr schließen wir ab, aber dann wurde es noch ein Jahr und noch eines und noch eines … Du kannst an nichts anderes mehr denken. Du atmest förmlich Red Bull Stratos, stehst morgens damit auf und gehst spätabends damit ins Bett. Das ist enorm aufreibend und kostet unglaublich viel Energie.“ Am allerschwersten fiel Baumgartner diese ganz neue Erfahrung, in einem Anzug eingeschlossen zu sein: „Die Außenwelt ist visuell da, aber die Akustik fehlt. Du hörst nur deinen eigenen Atem und das
über Stunden. Es macht dich fast wahnsinnig. Bei jedem Test dasselbe. Ich hasse Einschränkungen und der Anzug war genau das Gegenteil von dem, warum ich eigentlich Fallschirm springe, das Gefühl von Freiheit. In dem Moment, wo du dann endlich springen kannst, denkst du nicht an Leben und Tod, sondern du möchtest dein Ziel umsetzen und deine einstige Vision positiv zu Ende bringen.“ Der Anzug war eine unglaubliche Einschränkung und Baumgartner musste lernen, damit umzugehen. Den Moment, wo der Schirm dann aufgegangen ist, er den Helm öffnen konnte und wieder in Kontakt mit der Außenwelt war, beschreibt er so: „Es ist, als hätte
man 7 Jahre eingesessen und jetzt geht endlich die Gefängnistüre auf. Ich hatte meine Freiheit wieder.“
Er hat überlebt, im freien Fall die Schallmauer durchbrochen und mit seinem Sprung Geschichte geschrieben. Baumgartner hat der Welt etwas hinterlassen, so wie er es immer geplant hatte. Red Bull Stratos war eine Art Mondlandung für die junge Generation, ein weiterer Schritt für die Menschheit, um Grenzen zu verschieben. Diese Grenzen entstehen laut Baumgartner häufig nur im Kopf: „Zuerst hat es geheißen, dass man die Schallmauer nicht durchbrechen kann – Chuck Yeager hat es dann als erster Mensch geschafft. Sobald diese geistige Barriere durchbrochen ist, wird Energie frei und Neues möglich. Neugier ist dafür ausschlaggebend. Hinterfragen ist wichtig. Wer viel fragt, weiß viel. Es ist wichtig, dass Menschen Dinge probieren.“ Baumgartner schenkt Aussagen wie „Der Mensch ist nicht zum Fliegen geboren“ kein Gehör. Er vertritt ganz klar die Position, dass wir dankbar sein müssen, dass es Menschen gab und gibt, die ihr Leben opfern, um dem Fortschritt zu dienen: „Egal, wer und wo. Der Physiker Wilhelm Conrad Röntgen zum Beispiel. Er hat sich für seine Vision zu Tode geröntgt und wir sind heute froh, dass wir diese Technologie kennen und anwenden.“ Als Kind hat sich Felix Baumgartner schon immer gefragt, ob, wenn jemand sagt: „Das geht nicht“, es nicht geht, oder es nicht geht, weil jemand sagt, dass es nicht geht. „Ich brauche keine Leute, die mir sagen, was nicht geht. Ich suche Menschen, die zu mir sagen: Lass uns das Unmögliche versuchen!“
Wenn Baumgartner sein Ziel dann einmal erreicht hat und am Boden ankommt, dann ist er der glücklichste Mensch auf der Welt und diese Freude, eine Vision mit vielen Hürden in die Realität umgesetzt zu haben, die ist wohl unbeschreiblich: „Viele von uns haben doch diesen Drang zur Perfektion und wollen gelobt und geliebt werden. Wer mag es nicht, wenn einem jemand auf die Schulter klopft und sagt: Gut gemacht! Das gibt uns die Energie, weiter zu machen. Ich schätze immer die Leistung von anderen höher ein als meine eigene. Wir sollten uns nicht vergleichen. Ich habe vor allen Menschen Respekt, die etwas leisten.“
Immer wieder nimmt Baumgartner den Begriff der Freiheit in den Mund und er ist auch durchwegs bekannt dafür, sich auch gerne kritisch zu äußern, wenn es um Freiheit geht. In unserem Gespräch greifen wir dieses Thema auf und möchten wissen, was Baumgartner derzeit beschäftigt. „Ich bin ein kritischer Beobachter des täglichen Geschehens, auch politisch, und mache mir meine Gedanken dazu. Ich unterscheide nicht zwischen rechter und linker Politik. Für mich gibt es nur vernünftige oder unvernünftige Entscheidungen. Der Mensch spricht gerne über Freiheit, doch die wenigsten können damit auch umgehen. Die meisten Menschen wollen geführt werden und deshalb wählen sie so, wie sie eben wählen. Das Volk bekommt die Politik, die es verdient, heißt es. Das stimmt!
Eigenverantwortung zu übernehmen, ist vielen zu anstrengend und deshalb überlässt man es der Politik. Das weiß die Politik auch und schränkt unsere Freiheit zunehmend ein. Der Terror-Anschlag am 11. September 2001 und das heutige Corona-Jahr haben dieses Bestreben der Politik auch noch beschleunigt. Wir haben gesehen, wie schnell unsere Freiheit über Nacht eingeschränkt werden kann und wir unsere Grundrechte als Bürger*innen verlieren. Der Staat ist gierig nach Macht und das Internet und die moderne Technik helfen ihm dabei. Durch moderne Überwachungs- und Kommunikationsmittel wie Drohnen, Mobiltelefone, Computer, Siri, Alexa und Soziale Medien ist der Staat bereits in unsere Köpfe und sogar in unsere Schlafzimmer vorgedrungen. Wir sind gläsern und damit überwach- und manipulierbar geworden.
Nur, damit wir uns nicht falsch verstehen, ich bin nicht per se gegen moderne Technik, aber für einen verantwortungsvollen Umgang damit. Unsere Demokratie steht auf dem Spiel. Wer das nicht glaubt, dem*der empfehle ich die Doku „Fake America Great again“. Diese Doku ist ein unschöner Ausblick auf unsere Zukunft. Eine Pandemie ist ein großartiger Spielplatz für die Politik, um auszuloten, wo die Grenzen liegen und inwieweit ein Staat sogar verfassungswidrig eingreifen kann, um in Zukunft seine Macht noch mehr auszubauen. Das dürfen wir nicht zulassen. Nur eine aufgeklärte, gut informierte und kritische Bevölkerung kann das verhindern. Bei der Freiheit ist es wie bei einem Flugplatz. Wenn er einmal weg ist, kommt er auch nicht mehr zurück.“
Baumgartner ist bestimmt kein Weltverbesserer, sondern er möchte den Menschen mitgeben, dass sie stets neugierig und kritisch bleiben. „Meine Welt ist schön, mir geht es gut und ich müsste mich eigentlich gar nicht öffentlich äußern. Aber ich mache mir große Sorgen, weil ich sehe, wohin die Reise geht. Ich liebe meine Freiheit und lasse sie mir von niemandem nehmen. Auch nicht von der Politik.“ Für sich hat Felix Baumgartner einen bestimmten Freiheitsstatus erreicht, weil er sein eigener Boss ist. Er ist der Kapitän auf seinem Boot und diese Errungenschaft ist ihm immens wichtig. Nach dem Sprung aus der Stratosphäre hat sich für ihn persönlich nicht viel verändert. „Du schaust abends beim Zähneputzen in den Spiegel und siehst immer noch denselben ‚Spitzbub‘ in dir. Du erinnerst dich an die Zeichnung, die du mit fünf Jahren als Kind gezeichnet hast, lächelst zufrieden und dein Spiegelbild lächelt zurück. Mehr brauche ich nicht. Doch die Welt da draußen hat eine andere Wahrnehmung von dir. Für viele bist du ein Held, jemand, der Geschichte geschrieben hat und deshalb auch ein Vorbild. Das hat viele Vorteile, denn plötzlich stehen dir alle Türen dieser Welt offen, du musst nur durchgehen. Das ist schön und dafür bin ich auch unendlich dankbar, doch mir ist etwas anderes viel wichtiger. Mein Team und ich haben es geschafft, für ein paar Stunden die Menschen dieser Welt vor ihren Bildschirmen zu vereinen. Sie ihre Sorgen und Ängste vergessen zu lassen, um zu sehen, dass ALLES möglich ist, wenn du es wirklich willst. Und wenn nur ein paar Menschen dabei waren, die wir mit meinem Sprung motivieren konnten, ihren Traum zu verwirklichen, dann war unsere Mission erfolgreich.“
Heute ist Felix Baumgartner professioneller Hubschrauberpilot, denn das war sein zweiter Kindheitstraum, den er sich verwirklichen konnte. Auf Airshows in den USA macht Baumgartner regelmäßig Akrobatikflüge mit dem Hubschrauber und begeistert weiterhin die Menschen. Es gibt weltweit nur eine Handvoll Pilot*innen, die eine Spezial-Lizenz dafür haben. In seinem derzeitigen Lebensabschnitt scheint Entschleunigung wichtiger geworden zu sein als Beschleunigung. Während seiner Ausbildungen und bisherigen Karriere hat er alles mitgenommen, was irgendwie möglich war. Er hat viel gelernt, Eindrücke um sich herum aufgesaugt wie ein Schwamm und er hat vor allem Erfahrungen gesammelt, die er gerne weitergeben möchte. Baumgartner ist wählerischer geworden und überlegt sich heute genau, wofür er seine Zeit einsetzt und mit wem er sie verbringt.
Wenn er am Ende unseres Gesprächs noch einmal für uns zurückblickt, dann ist es wieder ein Bild, das er uns „zeichnet“: „Ein junger Mechaniker, der ausgezogen ist, um mit einem Fallschirm am Rücken die Welt zu erobern.“