Urbane Ikonen moderner Baukunst

Inno­va­ti­ve, „radi­ka­le“ Neu­bau­ten und spek­ta­ku­lä­re Bau­kunst von Star­ar­chi­tek­ten gewin­nen im (Städ­te) Tou­ris­mus immer mehr an Bedeu­tung. stay­in­art zeigt die inter­es­san­tes­ten neu­en Land­marks hyper­mo­der­ner Archi­tek­tur. Es gibt zwei Mög­lich­kei­ten, das futu­ris­ti­sche Gebäu­de zu betre­ten – vom Him­mel oder von der Erde aus. Die Rede ist vom ein­drucks­vol­len Bau des „MuCEM“ in Frank­reichs zwei­größ­ter Metro­po­le Mar­seil­le (Musée des civi­li­sa­ti­ons de l’Europe et de la Médi­ter­ra­née). Der Kubus thront an der Spit­ze des Alten Hafens und ver­bin­det mit sei­ner spie­geln­den Glas­front das Mit­tel­meer mit der Stadt. Erreich­bar ist es ent­we­der über den schwin­del­erre­gen­den, 130 Meter lan­gen, frei­tra­gen­den Steg vom trut­zi­gen Mit­tel­al­ter­fort Saint-Jean aus über die Dach­ter­ras­se – oder meer­sei­tig an Was­ser­be­cken vor­bei über den eben­erdi­gen Haupteingang.

Ein­zig­ar­tig ist das Netz­ge­flecht aus Ultra-Hoch­leis­tungs­be­ton, das das MuCEM umgibt. Die­se Hül­le um den inne­ren Glas­ku­bus wirkt leicht, durch­läs­sig und fili­gran wie Häkel­spit­ze und sorgt für ein fas­zi­nie­ren­des Son­ne-Schat­ten-Spiel im Gebäu­de­inne­ren. Der fran­zö­si­sche Archi­tekt Rudy Ric­ciot­ti setzt das legen­dä­re Licht der Pro­vence gekonnt in Sze­ne und sorgt gleich­zei­tig für die nöti­ge Beschat­tung der Aus­stel­lungs­flä­chen sowie der Restaurant-Dachterrasse.

Mar­seil­le, die Mil­lio­nen­stadt, in der Le Cor­bu­si­er schon 1952 mit sei­ner „Cité Radieu­se“ (einer „Wohn­ma­schi­ne“ mit 337 Apart­ments) ein Denk­mal redu­zier­ter Archi­tek­tur setz­te, mau­ser­te sich seit 2013 – als die Mit­tel­meer-Metro­po­le Kul­tur­haupt­stadt Euro­pas war – zu einem fas­zi­nie­ren­den Archi­tek­tur-Hot­spot. Meh­re­re Stars der Sze­ne setz­ten reiz­vol­le Kon­tras­te in das einst schmud­de­li­ge Are­al des Alten Hafens und mach­ten ihn so zum Herz der Stadt: Sir Nor­man Fos­ter zeich­net für den Spie­gel-Pavil­lon „Miro­ir ombiè­re“ aus polier­ten Edel­stahl-Ele­men­ten ver­ant­wort­lich und Zaha Hadid hin­ter­ließ einen 145 Meter hohen Wol­ken­krat­zer. Das MuCEM gilt als eines der schöns­ten Muse­en Frank­reichs. Gleich dane­ben schließt die nicht min­der ein­drucks­vol­le Vil­la Médi­ter­ra­née an (Stu­dio Ste­fa­no Boe­ri aus Mai­land): Das neue Aus­stel­lungs­ge­bäu­de schwebt mit einem 40 Meter weit aus­kra­gen­dem Ober­ge­schoss kühn über einem Wasserbassin.

Mar­seil­le Mucem et Vil­la Meditérranée

GEBAUTE ZEICHEN ALS TOURISMUSMAGNETE
Egal ob glä­sern-kühl, beton-bru­tal, kan­tig oder geschwun­gen: zei­chen­haf­te Archi­tek­tur setzt zuneh­mend Land­marks. Inno­va­ti­ve Iko­nen der Bau­kunst wer­den zu den neu­en Magne­ten des Städ­te­tou­ris­mus hoch­sti­li­siert. Ers­te Vor­rei­ter dafür waren die Kir­che Not­re Dame du Haut in Ron­champ in Frank­reich (Le Cor­bu­si­er, 1955), die Kathe­dra­le von Bra­si­lia (Oscar Nie­mey­er, 1970), das Syd­ney Ope­ra House in Aus­tra­li­en (Jørn Utzon, 1973) oder das Cent­re Pom­pi­dou in Paris (Ren­zo Pia­no, 1977). Das Gug­gen­heim-Muse­um in Bil­bao (vom kana­disch-ame­ri­ka­ni­schen Star­ar­chi­tek­ten Frank O. Gehry, 1997) ist Namens­ge­ber des soge­nann­ten Bil­ba­o­ef­fek­tes: Er steht für die geziel­te Auf­wer­tung von Orten mit spek­ta­ku­lä­rer Bau­kunst – und macht welt­weit Schu­le. Zunächst in gro­ßen Metro­po­len, immer mehr aber auch in klei­ne­ren Städ­ten oder am Land. Zu den ange­sag­ten Stars der Archi­tek­tur­sze­ne zäh­len neben Gehry Zaha Hadid, Dani­el Libes­kind, Her­zog & de Meu­ron, I.M. Pei, Jür­gen May­er H., Sir Nor­man Fos­ter, Rafa­el Moneo, Rem Kool­haas, Jean Nou­vel, Peter Zum­thor, Sant­ia­go Calat­rava und vie­le mehr. stay­in­art lädt sei­ne Leser zu einer Archi­tek­tur-Rund­rei­se ein – Ziel sind aus­schließ­lich neue Iko­nen der Bau­kunst, die von Tou­ris­ten tat­säch­lich betre­ten und erlebt wer­den können.

Frank­reich ist ein per­fek­tes Ziel für Archi­tek­tur­fans: Im Okto­ber 2014 eröff­ne­te die Fon­da­ti­on Lou­is Vuit­ton im Pari­ser Bois de Bou­lo­gne mit der typi­schen Hand­schrift Gehrys. Seit April 2017 lädt das Musik­kul­tur­zen­trum La Sei­ne musi­cale auf der Paris-nahen Sei­ne-Insel Ségu­in Musik­freun­de ein, der futu­ris­tisch run­de Kom­plex stammt von den Star­ar­chi­tek­ten Shi­ge­ru Ban und Jean de Gasti­nes. Seit Juni 2016 lädt in Bor­deaux der gol­den glän­zen­de Rund­bau der „Cité du Vin“ am Ufer der Garon­ne dazu ein, tief in die Geschich­te und Kul­tur des Reb­saf­tes ein­zu­tau­chen. Die geschwun­ge­ne Fas­sa­de mit glä­ser­nen Ver­klei­dungs­ele­men­te zitiert ein gefüll­tes Wein­glas. Seit rund einem Jahr lädt auch das inno­va­ti­ve Mee­res­mu­se­um Musée Mer Mari­ne (MMM) samt Miche­lin-Ster­ne-Restau­rant ein.

Im süd­fran­zö­si­schen Nîmes, direkt gegen­über dem römi­schen Amphi­thea­ter, prä­sen­tiert seit Kur­zem das Musée de la Roma­ni­té auf inno­va­ti­ve Art und Wei­se die 2000-jäh­ri­ge Geschich­te der Stadt. Die luf­tig-leich­te Archi­tek­tur mit hori­zon­ta­len Wel­len aus glä­ser­nen Qua­dra­ten erin­nert an römi­sche Mosai­ke. Ende 2019 eröff­ne­te im Zen­trum vor Arles das neue Kul­tur­zen­trum LUMA Stif­tung in Form eines Dia­man­ten (von Frank O. Gehry).

La Cité du Vin4 © Pho­tos Anaka

WELTBEKANNT: ELPHI HAMBURG
Ein welt­be­kann­tes High­light moder­ner Bau­kunst ist die Elb­phil­har­mo­nie in Ham­burg von Jac­ques Her­zog und Pierre de Meu­ron – ein Archi­tek­tur­wun­der aus einem mas­si­ven Back­stein-Spei­cher­ge­bäu­de mit einem luf­ti­gen Auf­bau aus 1.100 spie­geln­den Glas­ele­men­ten. Bei ihrer Eröff­nung im Jän­ner 2017 war die „Elphi“ der gro­ße Skan­dal, heu­te ist sie der Stolz Deutsch­lands und ein unglaub­li­cher Publi­kums­ma­gnet. In den ers­ten zwei Jah­ren besuch­ten 1,8 Mil­lio­nen Musik­freun­de die Kon­zer­te der drei Säle. Wer kei­ne Kar­ten ergat­tert, dem bleibt der Besuch der „Pla­za“: Die­se öffent­li­che Aus­sichts­platt­form offe­riert einen gran­dio­sen Aus­blick auf den Ham­bur­ger Hafen. Die jüngs­te öffent­lich zugäng­li­che Archi­tek­tu­riko­ne Deutsch­lands ist das Futu­ri­um in Ber­lin (Zen­trum für Zukunfts­ge­stal­tung). Die­ses „Denk“-Gebäude stammt vom Archi­tek­ten-Büro Rich­ter-Musi­kow­ski, Eye­cat­cher davor ist das soge­nann­te „Dreh­mo­ment“: die 15 Meter hohe kine­ti­sche Skulp­tur aus einem rotie­ren­den Tel­ler hält sich nur dank der Dyna­mik sei­ner Dreh­be­we­gung auf einem Stab. Ver­ant­wort­lich dafür zeich­net die Ber­li­ner Künst­ler­grup­pe realities:united. Wei­te­re impo­san­te Bau­kunst­wer­ke bei unse­rem nörd­li­chen Nach­barn sind in Wolfs­burg die Auto­stadt sowie das Sci­ence Cen­ter „phae­no“ von Zaha Hadid oder die BMW Welt in München.

Ham­burg Elb­phil­har­mo­nie © Maxim Schulz
Ber­lin Futu­ri­um © David von Becker

HÖCHSTE BAUKUNST IN SPANIEN
In Spa­ni­en nahm der Archi­tek­tur-Hype der­einst in Madrid Fahrt auf, Besu­cher bestaun(t) en den spek­ta­ku­lä­ren Zubau des Muse­ums Rei­na Sofia Muse­um (Jean Nou­vel), die Aus­stel­lungs­hal­le Caixa-Forum (Her­zog & de Meu­ron), die Pra­doer­wei­te­rung (Rafa­el Moneo) oder den Ter­mi­nal 4 des Flug­ha­fen Madrid-Bara­jas (Richard Rogers). Jüngst gesell­te sich der Río Park dazu. Im Nord­spa­ni­schen Bil­bao macht – neben dem Gug­gen­heim-Muse­um – neu­er­dings das Azku­na Zentroa von sich reden: Hier bau­te Phil­ip­pe Starck ein altes Wein­la­ger zu einem spek­ta­ku­lä­ren Kul­tur­und Gemein­de­zen­trum um. Nicht weni­ger ein­drucks­voll sind das Hotel Vincci Con­su­la­do de Bil­bao sowie das San Mamés Ber­ria-Sta­di­on, die Heim­stät­te von Ath­le­tic Bilbao.

Auch in der ursprüng­li­chen Regi­on Castil­la y León, einem „Bur­gen-Land“ nörd­lich von Madrid, ist inno­va­ti­ve Archi­tek­tur im Vor­marsch. Da über­ra­schen in Bur­gos das Forum Evo­lu­ción (Kon­gress­pa­last und Kon­zert­hal­le), das Muse­um zur Ent­wick­lung der Mensch­heit oder die schrä­ge Wein­kel­le­rei Bode­ga Por­tia von Sir Nor­man Fos­ter. In León gefällt das neue MUSAC – Muse­um zeit­ge­nös­si­scher Kunst Castil­la y León.

Spa­ni­en Madrid Rio-Park

ARCHITEKTUR-HOTSPOTS DER SCHWEIZ UND IN ISLAND
In der Schweiz bie­tet Basel eine welt­weit uner­reich­te Dich­te an moder­ner Bau­kunst – stets in har­mo­ni­scher Ergän­zung mit der his­to­ri­schen Alt­stadt-Sub­stanz. Ins­ge­samt ver­ewig­ten sich zwölf Pritz­ker-Preis­trä­ger. Die ETH Zürich bot ab 1855 als ers­te Hoch­schu­le der Schweiz einen Stu­di­en­gang in Archi­tek­tur und wur­de zum wich­ti­gen Hub für Bau­kunst. Meis­ter wie Her­zog & de Meu­ron, Sant­ia­go Calat­rava gin­gen durch die­se Kader­schmie­de, neue Stars folg­ten: Der eben­so wuch­ti­ge wie ver­spiel­te Anbau des Lan­des­mu­se­um Zürich im Stil des „ratio­na­len Expres­sio­nis­mus“ stammt von den ETH-Alum­ni Christ & Gan­ten­bein. Die Wie­der­eröff­nung des Pavil­lon Cor­bu­si­er erfolg­te im Mai 2019 (www.pavillonle-corbusier.ch); David Chip­per­field rea­li­siert gera­de die Erwei­te­rung des Kunst­hau­ses Zürich zum größ­ten Kunst­mu­se­um der Schweiz.

Die Eid­ge­nos­sen­schaft bie­tet auch zahl­rei­che krach­mo­der­ne Ther­men- und Well­ness-Tem­pel: Para­de­bei­spie­le sind die puris­ti­sche Ther­me Vals des öster­rei­chi­schen Archi­tek­ten Peter Zum­thor (tol­le Licht­ef­fek­te!) und das neue Hotel 7132; wei­ters das Bür­gen­stock Resort & Spa ober­halb des Vier­wald­stät­ter­sees, die Ther­me Hür­li­mann in Zürich („von der Braue­rei zur sakra­len Bade­welt“ und das Wellnesshostel4000 in Saas Fee (Jugend­her­ber­ge mit Design-Anspruch und Spa). Ein­zig­ar­ti­ge Bade­ar­chi­tek­tur zeigt auch Island, die vul­ka­ni­sche Insel im nörd­li­chen Polar­meer: Das Luxus­ho­tel „The Retre­at“ an der Blau­en Lagu­ne ist in eine 800 Jah­re alte moos­be­deck­te Lava­land­schaft eingebettet.

7132 Hotel in Vals in der Schweiz
Luxus­ho­tel „The Retre­at“ an der Blau­en Lagu­ne (Island)

ARCHITEKTURIKONEN AUSSERHALB EUROPAS
So man­cher ara­bi­sche Staat holt sich Star-Archi­tek­ten ins Land, um mit iko­ni­schen Pracht­bau­ten Tou­ris­ten anzu­lo­cken. Abu Dha­bi, das reichs­te der Ara­bi­schen Emi­ra­te, arbei­tet dar­an, ein Welt­zen­trum der moder­nen Kunst und Archi­tek­tur zu wer­den. Flagg­schiff­pro­jek­te sind das Zay­ed Natio­nal Muse­um von Nor­man Fos­ter (inspi­riert von der Dyna­mik des Fal­ken­flugs), das Gug­gen­heim Abu Dha­bi von Frank Gehry, der Lou­vre Abu Dha­bi von Jean Nou­vel oder die Sheikh Zay­ed Bridge von Zaha Hadid.

Die fun­keln­de Metro­po­le Doha (Haupt­stadt von Qatar) begeis­tert mit dem Muse­um for Isla­mic Art (MIA) des japa­ni­schen Archi­tek­ten I. M. Pei – bau­lich sowie inhalt­lich. Auch Jean Nou­vel ver­ewig­te sich am Per­si­schen Golf: Von ihm stammt der 46-stö­cki­ge Burj Qatar Tower samt Pan­ora­ma-Restau­rant sowie das 2019 eröff­ne­te Natio­nal Muse­um of Qatar, das an eine Wüs­ten­ro­se erinnert.

In der chi­ne­si­schen Finanz­me­tro­po­le Hong­kong ent­steht mit dem West Kow­loon Cul­tu­re Dis­trict ein völ­lig neu­es Kul­tur-Quar­tier mit meh­re­ren iko­ni­schen Neu­bau­ten. Eini­ge davon wur­den schon mit Archi­tek­tur­prei­sen geadelt. Voll­endet ist das Xiqu Cent­re (samt Opern­haus), die Kow­loon-West-Sta­ti­on (größ­ter unter­ir­di­scher Bahn­hof der Welt) sowie das M+ (Hong­kongs ers­tes visu­el­les Kunstmuseum).

Hud­son Yards am West­rand von Man­hat­tan ist das größ­te Real Estate Pro­jekt von New York City seit dem Bau des Rocke­fel­ler Cen­ters 1939. Für Tou­ris­ten inter­es­sant sind The Ves­sel: die­se begeh­ba­re Skulp­tur als ein in die Höhe gebau­ter Park trägt den Spitz­nah­men „Stair­ways to Nowhe­re“. Seit rund einem Jahr lädt das neue Mul­ti-Arts Cen­ter The Shed ein: Es besteht aus zwei hal­ben Scha­len (eine davon auf über­di­men­sio­na­len Rädern), die je nach Event und Platz­be­darf das Gebäu­de ver­klei­nern oder wach­sen las­sen können.

Hong Kong Xiqu Cent­re © HKTB
Hud­son Yards and 520 West 28th Loo­king North from the High Line © Rela­ted Oxford
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Sie ist freie Journalistin mit den Themenschwerpunkten Reise und Wirtschaft und lebt in Wien und Innsbruck. Sie ist hauptsächlich für das Wirtschaftsmagazin GEWINN tätig sowie im Reisebereich auch für zahlreiche andere namhafte Medien in Österreich - u.a. für die Tageszeitungen Kurier, Die Presse und Salzburger Nachrichten sowie diverse Magazine.

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