Interview mit Ursula Schelle-Müller
Was haben eine überdimensionale Briefmarke mit dem Titel „Geträumte Weltkarte“ des Künstlers Paule Hammer, großformatige abstrakte Malereien des Kölner Doms auf Holz von Heike Simmer, Fotografien zum Thema „Cinema“ von Jim Rakete und ein gigantisches grünes Dschungel-Aquarell von Lara Costafreda gemeinsam? Es sind Auftragsarbeiten für Hotels der Motel One Group. Alle diese Arbeiten und noch viele mehr gehören zum Konzept der Design Hotels und wurden auf Basis des Themas für den jeweiligen Standort in Leipzig, Köln, Berlin oder Barcelona entwickelt. Diese Vielfalt junger künstlerischer Positionen hat unser Interesse geweckt und wir wollten mehr darüber erfahren. Der Kopf hinter den Auftragsarbeiten ist Ursula Schelle-Müller, die Frau des Gründers Dieter Müller und Verantwortliche für Marketing und Design der Motel One Group. Wir haben sie kürzlich in München im schicken und ungezwungenen Ambiente der Motel One Bar zu einem Gespräch getroffen.
Der Wiedererkennungswert von Motel One ist phänomenal. Sie waren dabei von Anfang an federführend. Wie designt man so eine starke Marke, welches sind die wesentlichen Elemente?
Was Motel One sicherlich einen hohen Wiedererkennungswert bringt, ist die Farbe Türkis. Ein weiteres Merkmal ist der Egg-Chair von Arne Jacobsen, der letztendlich sehr viel ausdrückt was Motel One ausmacht, nämlich eine hohe Designaffinität, vor allem für klassisches Design und eine sehr hohe Qualität. Das sind Schlüsselfaktoren, auf die wir von Anfang an gesetzt haben und die wir konsequent durchziehen. Wir haben die Hotels wirklich vom Marketing her gedacht und dabei nicht nur ein Markenversprechen sondern ein Markengefühl implementiert und dabei den Gast mit seinen Bedürfnissen in den Mittelpunkt gestellt. Die Marke Motel One hat sich dabei in den letzten 20 Jahren intensiv weiterentwickelt. Die Kunst wurde in den letzten vier Jahren Teil unseres Konzeptes, um unserem Design, unserem Storytelling einen starken und tieferen lokalen Bezug zu geben. Authentizität spielt hier eine wichtige Rolle und aus der Zusammenarbeit mit den Künstler*innen ergeben sich tolle Projekte.
Motel One wurde neben vielen anderen Awards auch mit dem „Game Changer Award“ für bahnbrechende Innovationen ausgezeichnet. Welche würden Sie aus unternehmerischer Sicht als die bedeutendste Innovation bezeichnen?
Es ist das Zusammenspiel. Es gelingt uns in den besten Lagen in der Stadt ein extrem hochwertiges, luxuriöses und mit echter Kunst ausgestattetes Hotel anzubieten – zu einem sehr attraktiven Preis. Diese Kombination macht Motel One einzigartig und, dass wir ein flächenoptimiertes Konzept anbieten. Wir bieten dem Gast ein großes Wohnzimmer mit einer super ausgestatteten Bar, wir sparen an nichts, außer eben an der Fläche im Zimmer. Es klingt zwar simpel, aber gute Konzepte sind eben meistens simpel. Diese unsere Denkweise hat mittlerweile die Hotellerie verändert.
Worauf legt der städtereisende Gast wert?
Der Gast legt Wert auf eine gute Lage, er will mittendrin sein. Er schätzt ein entsprechendes Ambiente, einen freundlichen Service, das Design, die Qualität, eine Herzlichkeit und am Ende schätzt er einen guten Preis. Das kleine Zimmer ist einem Städtetouristen meist egal, weil er wirklich nur schläft und duscht. Aber diese Basisanforderung muss exzellent sein. Und auch da setzen wir auf Qualität. Vor 20 Jahren war es eine kleine Sensation, dass es in einem preiswerten Hotel keinen Duschvorhang gibt. Das klingt heute lächerlich, war aber so. Für uns ist es schön zu sehen, dass sich die Standards mit uns entwickelt haben und damit auch der Anspruch des Gastes gestiegen ist.
Ein Hotel ist kein Ausstellungsort, sondern ein lebendiger Ort, wo sich Menschen begegnen und wohlfühlen und dafür schaffen wir die Bühne. Die Zusammenarbeit mit den Künstler*innen und der Kunstszene vor Ort ergibt immer einen sehr starken Bezug zum Standort.
Woher kommt Ihre Leidenschaft für Design & Kunst? Gibt es spezielle Inspirationsquellen?
Ich mag Dinge, die nicht zwingend erforderlich sind, aber die das Leben einfach schön machen. Dazu gehören eben auch Design und Kunst. Für mich strahlen diese Dinge Freude aus und sind Inspiration dafür diese Freude weiterzugeben.
Sammeln Sie privat Kunst bzw. interessieren Sie sich für eine spezielle Epoche bzw. Kunstrichtung?
Mein Mann und ich, wir sammeln noch nicht, aber wir beschäftigen uns mit Kunst. Wir befinden uns gerade noch in der Phase, in der wir uns intensiver damit auseinandersetzen. Von der Epoche her beschäftigen wir uns mehr mit zeitgenössischer Kunst. Ich finde es inspirierend, wenn Zeitgeschehen in Kunst umgesetzt werden.
Wie erarbeiten Sie ein Design-Konzept für ein neues Haus? Es gibt stets Elemente, die in allen Häusern der Marke gleich sind und gestalterische Themen, die sich auf den Standort beziehen. Wo und mit wem werden die Ideen entwickelt?
Wir haben mittlerweile ein großes Interior Design Team, bestehend aus 8 Designerinnen. Wenn wir ein Projekt unterschrieben haben, beschäftigen wir uns zuerst mit der Stadt, dem Mikrostandort, der Historie und dem aktuellen Zeitgeschehen um zu verstehen und zu erfühlen was den Standort ausmacht. Ein Prozess der durchaus dauern kann. Die Themen und Geschichten, die sich herauskristallisieren werden in mood boards umgesetzt und in größerer Runde diskutiert und ein Leitthema für die Gestaltung entwickelt. Dann gehen wir auf die Suche nach Künstler*innen, die einen Bezug zur Stadt und Spass haben gemeinsam die Story weiterzuerzählen. Passend dazu wählen wir die Möbel aus, wobei die Farbe türkis, der Egg Chair und unsere Mitarbeiter den Motel One Spirit in unsere Hotels bringen. Ein Hotel ist kein Ausstellungsort, sondern ein lebendiger Ort, wo sich Menschen begegnen und wohlfühlen und dafür schaffen wir die Bühne. Diese Bühne ist dann thematisch eben unterschiedlich und gibt jedem auch eine andere Möglichkeit zu wirken. Die Zusammenarbeit mit den Künstler*innen und der Kunstszene vor Ort ergibt immer einen sehr starken Bezug zum Standort.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Künstler*innen aus?
Es sind meist junge Künstler, die einen Bezug zur Stadt haben und Spaß haben, gemeinsam mit uns das Thema zu entwickeln und in ihrem Stil umsetzen. Wir entdecken sie manchmal per Zufall, manchmal durch gezielte Recherche.
Wo ist Ihnen der Bezug zum Standort besonders gut gleungen?
Das ist eine schwierige Frage, insofern ich der Meinung bin, dass es uns meist gut gelingt. Aber ja, natürlich gibt es kleine Unterschiede. In Barcelona ist uns beispielsweise sehr gut gelungen, dieses leichte, spanische Lebensgefühl einzufangen. Im Motel One Berlin Upper- West ist die edle Atmosphäre und Kinofeeling umgesetzt, im Kontrast dazu unser Haus am Alexanderplatz, das sich bunt und unkonventionell zeigt, wie seine unmittelbare Umgebung. Ich finde, unser Interior Team erarbeitet die Themen sehr präzise und mit viel Liebe zum Detail, die man in jedem neuen Hotel spürt.
Viele Museen, Galerien und auch Hotels arbeiten derzeit bewusst an der Inszenierung von Instagram-tauglichen Kulissen für Besucher*innen, um die Kommunikation in den sozialen Netzwerken anzukurbeln. Machen Sie das auch?
Das muss einen natürlich interessieren. Aktuell kreieren wir keine Kulissen für Instagram, eher Wohlfühlplätze für unsere Gäste. Aber natürlich setzen wir in unserer Kommunikation auch auf soziale Netzwerke und überlegen, welche Spots wir bei unseren Shootings in Szene setzen. Denn gefühlt kommuniziert die Welt nur noch visuell.
Sie treffen mit dem Konzept Motel-One exakt den Zeitgeist. Sind alle Markenelemente strategisch geplant oder ist das ein und andere am Konzept auch durch Zufall entstanden?
Unser Konzept hat sich über die Jahre entwickelt, das war ein Prozess. Wir sind mit der Grundidee „viel Design für wenig Geld“ angetreten und waren erfolgreich. Dann waren Gäste-Feedbacks und der eigene Anspruch Antrieb unser Produkt weiterzuentwickeln. Wichtig ist es für uns, dass wir uns gerne hinterfragen, Dinge anders denken. Entwicklung und Erneuerung ist für uns ein stetiger Prozess, in Details im Zimmer oder im kompletten Re-Design nach rund 7 Jahren. Wir denken gerne neu.
Welches sind für Sie persönlich interessante Reiseziele?
Heuer waren wir 10 Tage in Israel unterwegs, eine nachhaltig beeindruckende Reise. Wir sind aber auch gern in Kitzbühel, im Chiemgau oder auf Mallorca. Inspirierend sind Städte-Trips, in die Metropolen unserer Zeit, Berlin, London, Paris, Rom, Barcelona und viele mehr. Dort spürt und erlebt man Trends, Kunst und Szenen.
Ein Blick in die Zukunft: Die Marke Motel One wird wachsen. Welche Eröffnungen und Projekte stehen konkret an – gibt es auch spezielle Highlights was die künstlerische Einbindung angeht?
Wir haben gerade unser erstes Haus in Warschau eröffnet und damit den Markteintritt in Polen gefeiert. Als Designthema haben wir „Chopin“ inszeniert. Linz ist ebenfalls ein tolles Projekt, das Ende des Jahres eröffnen wird. Ein denkmalgeschützes Gebäude am Hauptplatz, das liebevoll saniert und mit österreichischen Möbeldesignern eingerichtet wird. Interessante Brüche entstehen in der One Lounge und in den Zimmern durch die Mural-Art des Linzer Künstler SKIRL. Es bleibt spannend.