Mark Arbeit / George Holz / Just Loomis. Three Boys from Pasadena
Private Photo Collection of Helmut and June
Ein in diesem großen Format bislang einmaliges Fotobuch, eine private Fotosammlung und drei ehemalige Assistenten von Helmut Newton, die selbst schon sehr lange sehr gut im Geschäft sind: Das sind die Zutaten für die neue Ausstellung in der Helmut Newton Stiftung, die am 6. Juni 2019 eröffnet wurde.
1999, vor 20 Jahren, veröffentlichte der Taschen-Verlag sein erstes monumentales Kunstbuch: Helmut Newton’s SUMO. Es kam in einem ungewöhnlich großen Format von 70 x 50 cm und einer Auflage von 10.000 Exemplaren auf den Markt, alle vom Fotografen persönlich signiert, ausgeliefert mit einem von Philippe Starck entworfenen Metallständer. Darauf ruht es seitdem in vielen großzügigen Sammlerwohnungen, während von Zeit zu Zeit wohl eine der postergroßen Seiten umgeblättert wird. Kurz nach Erscheinen wurde ein Exemplar des SUMO-Buches, von einigen der von Newton porträtierten internationalen Kulturgrößen zusätzlich signiert, bei einer Charity-Auktion für über 600.000 DM versteigert – und damit zum teuersten Buch des 20. Jahrhunderts, ein weiterer Superlativ. 2009, vor zehn Jahren, organisierte die Helmut Newton Stiftung eine ungewöhnliche, gewissermaßen adäquate Ausstellung zu dieser legendären Publikation: die 464 Buchseiten hingen gerahmt nebeneinander an der Wand, in drei Reihen übereinander. Die Besucher*innen konnten – anders als beim sukzessive Blättern durch das Buch – in der Ausstellung sprichwörtlich alles auf einmal sehen und wurden von den mehr als 400 Fotografien gleichsam eingerahmt. So war es möglich, die ikonischen Bilder von Newton, insbesondere aus seinen Hauptgenres Mode, Porträt und Akt, einige in Schwarz-Weiß und andere in Farbe, individuell und über die unterschiedlichen Entstehungszeiten von den 1960er bis in die 1990er-Jahre innerhalb der Ausstellung miteinander in Beziehung zu setzen. Anlässlich dieser Ausstellung erschien im Taschen-Verlag die verkleinerte Version des SUMO, die bis heute auf dem Buchmarkt erhältlich ist.
Nun, erneut zehn Jahre später, wird SUMO wieder in der Helmut Newton Stiftung präsentiert, über- und nebeneinander, der Reihenfolge im Buch folgend: Wir begegnen in der Publikation und in der Berliner Ausstellung unter anderem Newtons berühmten „Big Nudes“ und anderen Aktaufnahmen, zahlreichen Modebildern für die unterschiedlichen Ausgaben der Vogue, für Zeitschriften wie Elle, Stern oder Vanity Fair sowie Porträts von bekannten Schauspieler*innen oder Künstlern, darunter Liz Taylor und Jodie Foster oder Salvador Dali und Andy Warhol. So breitet sich Newtons Werk hier – anders als üblich – in der nach ihm benannten Stiftung aus, und selbst diese große Bildauswahl ist nur ein winziger Ausschnitt aus seinem gigantischen Œuvre voller zeitloser Eleganz und subtiler Verführung.
Eingeleitet wird die Publikation von einem autobiografischen, englischen Text Helmut Newtons, der sich wie die anderen gerahmten Buchseiten ebenfalls an einer Ausstellungswand wiederfindet – und mit dem uns der Fotograf auf eine Zeitreise mitnimmt, hinein in seine Ausbildung bei Yva in Berlin, in die Zeit in Singapur, Australien und Paris, wo Anfang der 1960er-Jahre insbesondere bei der französischen Vogue seine unvergleichliche Karriere begann. Ab 1980 kamen Aktaufnahmen und etwas später auch zahlreiche Portraits hinzu, vor allem in Hollywood, wo Helmut und June Newton im Hotel Chateau Marmont jedes Jahr einige Monate verbrachten. Und in Kalifornien traf Newton auch drei jungen Fotostudenten Mark Arbeit, George Holz und Just Loomis, die ihm in den folgenden Jahren bei Aufträgen für Porträts, Aktaufnahmen und Produktfotografien assistierten.
Ergänzt wird Newtons SUMO-Ausstellung wie vor zehn Jahren durch die Präsentation dieser Three Boys from Pasadena – diesmal durch neuere Arbeiten der ehemaligen Assistenten ergänzt.
Denn während Arbeit, Holz und Loomis 2009 mit jeweils einer Werkgruppe innerhalb eines Ausstellungsraumes gezeigt wurden, wird nun jedem der drei amerikanischen Fotografen ein eigener Raum zur Verfügung gestellt. Darin steht die frühere Werkgruppe, die sich seit Jahren als Zustiftung in der Berliner Newton-Sammlung befinden, im Zentrum und wird von aktuellen Aufnahmen an den übrigen Ausstellungswänden umgeben, insgesamt jeweils knapp 50 Fotografien pro Künstler und Ausstellungsraum. Diese Präsentationsidee begegnete uns hier bereits in der früheren Ausstellung „Guy Bourdin. Image Maker“.
Mark Arbeit ergänzt lebensgroße Fotogramme von weiblichen Aktmodellen, die sich während der Belichtung auf das Fotopapier gelegt haben, sowie kleinformatige Fotogramme von Spielzeugpuppen, die eine Hommage an Helmut Newton und dessen Sammelleidenschaft solcher Figuren darstellt. In Helmut Newton’s Private Property, der Dauerausstellung im Erdgeschoss der Stiftung, befinden sich zahlreiche Barbie-Puppen aus Newtons privater Sammlung auf dem von Ettore Sottsass entworfenen Regal im Memphis-Design. In seiner Torso-Werkserie bedeckt Mark Arbeit die Arme, Beine und den Kopf seiner weiblichen Fotomodelle mit einem schwarzen Stoff, so dass insbesondere der restliche hellhäutige Körper in den unterschiedlichsten Posen inklusive extremer Körperdrehungen exponiert ist – und so zum Torso wird. Der Hintergrund bleibt schwarz, so dass die angeschnittenen Figuren wie aus dem Nichts aufzutauchen scheinen; dies zitiert die klassische Antike ebenso wie fotografische Experimente der Surrealisten.
George Holz zeigt – neben seinen Schwarz-Weiß-Aktbildern der früheren Ausstellung – zahlreiche seiner bekannten Hollywood-Porträts in Schwarz-Weiß und Farbe, darunter Madonna, Sade, Andy MacDowell, Kirstin Dunst, Jack Nicholson oder Steven Spielberg, von denen manche zuvor bereits in Zeitschriften und auf deren Titelseiten publiziert wurden. Diesen Porträts gesellen sich zahlreiche neuere Aktbilder hinzu, von denen einige auch plein air entstanden sind. Das Miteinander von bekleideten und unbekleideten, von nachdenklichen und verführerischen Protagonist*innen findet sich ebenso im Werk von Mark Arbeit und natürlich Helmut Newton. Stets geht es auch George Holz um Körper und Blicke, um Posen und Schönheit, aber auch um die Charakteristika konkreter realer Personen. Und so finden sich männliche und weibliche Modelle gleichberechtigt in seinem Werk nebeneinander, das einerseits im Auftrag, andererseits frei entsteht.
Just Loomis schließlich hat einige seiner „Backstage“-Arbeiten ausgewählt, die seine frühere „Americana“-Serie ergänzen; dabei sind seine Bilder stets von einem zurückhaltenden, empathischen Blick auf seine Mitmenschen geprägt, seien es Kinder oder Kellnerinnen, Obdachlose oder Fotomodelle. Beide Bildserien wurde von Büchern im Hatje Cantz-Verlag begleitet. Kurz nach der ersten Ausstellung in Berlin erschien „as we are“ mit vielen der dort gezeigten Aufnahmen, die auch persönliche Erinnerungen seit Mitte der 1970er-Jahre aus seinem Geburtsort Reno visualisieren. Die jüngere Publikation Backstage wurde 2018 bei einer Book Launch in der Helmut Newton Stiftung vorgestellt – und wird nun am gleichen Ort erstmals auch in Form von Fotoabzügen präsentiert. Mit Backstage zeigt uns Loomis die andere Seite des strahlenden Modebusiness, die Konzentration und Hektik vor dem eigentlichen Auftritt auf dem Laufsteg, aber auch Emotionen unterschiedlichster Art. Die porträthaften Aufnahmen sind zeitlos, sie entstanden seit den 1980er-Jahren, als Loomis nach Mailand kam und auch viel abseits der eigentlichen Modeshows fotografierte.
Inzwischen sind die drei Fotografen kommerziell ziemlich erfolgreich und im gleichen Alter wie Newton, als er sie noch während ihres Studiums am Art Center College of Design kennenlernte und zu seinen Assistenten machte – und haben wiederum eigene Mitarbeiter. Anfang der 1980er-Jahre waren es Porträtaufträge für „Vaniety Fair“, etwa Michelle Pfeiffer, Jacqueline Bisset und Debra Winger oder Nastassja Kinski für den „Playboy“, die Newton realisierte und dabei von einem der drei jungen Designstudenten aus Pasadena unterstützt wurde, bei letztgenannten von Just Loomis. Mit Blick auf das heutige Werk von Arbeit, Holz und Loomis entdecken wir manche Ähnlichkeit und doch einen jeweils autonomen Stil.