Wenn wir uns fragen, wer in der Kunstwelt „Influencer“ ist, poppen sie alle nacheinander auf: die Sammler (w/m), die Galeristen, Kuratoren, Kritiker, Auktionshäuser – oder neu auch die insta-responsiven Online-Plattformen. Kaum jemand würde an dieser Stelle die Künstler nennen.
Abgesehen von den Sammlern, die sich weder aus der Glitzerwelt etwas machen noch den Erklärungen der Kuratoren folgen. Wer sind diese Leute, die sich so gar nicht um den Rummel scheren, was macht sie aus? Offenbar sind sie die selbstbewusstesten ihrer Kaste. Sie vertrauen ihrem Gespür.
Zweifelsohne: Je höher das Preisniveau, desto intensiver die Beschäftigung mit den Künstlern und ihrem Umfeld. Aber Sammlern geht es nicht per sé um die Steigerung der Werte einzelner Künstler, Blue Chips genannt, sondern einerseits brennen sie für die Kunst, die sie sammeln, und andererseits ist ihnen eine gewisse konzeptionelle Vollständigkeit ihrer Kollektion wichtig. Das nennen wir „conscious collecting“, bewusstes Sammeln. So wie es ZERO-Sammler Gerhard Lenz 2003 in Innsbruck formulierte: „Ich sehe mich als einen Verbündeten zu unseren Künstlern und identifiziere mich mit ihren Werken.“
Vertrauen ist die stillste Form von Mut.
Bryan Adams
Es kann schon als Hysterie bezeichnet werden, wenn sich Agenten auf Messen an die Sohlen populärer Sammler heften und direkt Kaufempfehlungen weitergeben, sobald diese vor einem Werk stehengeblieben sind. Wo ist denn das Bewusstsein auf’s Selbst geblieben? Das Vertrauen auf die individuelle Wahrnehmung, meinen persönlichen Geschmack? Mir kann doch ehrlich auch nicht George Clooney sagen, welchen Kaffee ich trinke. Influencer sollten vielmehr unsere eigenen Gedanken und Emotionen sein – besonders in Bezug auf Kunst. Aber dazu gehört eine Menge Mut. Uns selbst begegnen wir genau dann, wenn uns ein Kunstwerk nicht mehr loslässt, eine solche Heftigkeit in uns auslöst, dass wir auf uns selbst zurückgeworfen werden mit der Frage: „Warum reagiere ich auf diese Arbeit so stark, hier und jetzt?“ Wenn wir es zulassen, entsteht in diesem Moment die eigene Geschichte mit dem Werk, das pas-de-deux und vielleicht der Beginn einer jahrelangen Freundschaft. Oftmals liegt hierin der Grund, warum die Kunstschaffenden selbst so selten den Marktschreier-Job übernehmen wollen, weil sie sich oft nur schwer von ihren Werken trennen können. Kunstwerke zu schaffen, ist eine ziemlich intime Angelegenheit. Und im authentischen Fall gibt es auch keine Wiederholung oder Stagnation: Die künstlerische Weiterentwicklung tritt unmittelbar im Moment der Vollendung des einen Werks ein. Der ganze Prozess des Entwickelns, Verdichtens und Identifizierens beginnt mit jeder weißen Leinwand neu und ist einmalig (Unikat). So gesehen setzen sich Künstler wohl am innigsten mit ihrem Wesen auseinander. Sie können gar nicht anders, als selbstreferenziell etwas aus ihrem Menschsein hervorzubringen. Kunst ist Selbstzweck.
Wenn es dem Werk darüber hinaus noch gelingt, andere Menschen aufzuschließen, dann hat es eine Wirkkraft. Und beeinflusst einen Teil der Welt. Für Irritationen auf dem Markt sorgen Künstler dann, wenn sie so frei sind, ihre Technik, Materialität oder ihr „typisches“ Sujet zu ändern. Dies ist meines Erachtens jedoch als Stärke anzusehen, nicht als Schwäche. Ja, dann passen die Arbeiten eben nicht mehr alle in eine Schublade, aber Künstler, die sich stets selbst kopieren, möchte doch auch niemand. Das Thema begegnet uns desgleichen in der Sammlungsforschung in Bezug auf künstlerische Nachlässe, aus deren Oeuvre tatsächlich nur rund 15 Prozent in die kunsthistorische Einordnung gelangen sollen, ohne Nebenpfade und die spannenden Experimentierphasen. Identitätsstigmata. Unser Leben wird wertvoller durch Kunst. Entdecken wir doch etwas (selbst-) bewusster, was uns bewegt oder erfreut!