Thomas Laired entwickelte sein Interesse für tibetische Wandgemälde, als er 1986 das erste Mal nach Tibet reiste.
Zwischen 1998 und 2000 suchte er das intensive Gespräch mit dem Dalai-Lama und stellte fest, dass die Wandgemälde die Welt des Dalai-Lama schon als Kind prägten, noch bevor ihm das Lesen beigebracht wurde. Dennoch waren die Gespräche zwischen ihm und Seiner Heiligkeit zumeist hitzige Diskussionen, weil sie aus zwei unterschiedlich kulturellen Perspektiven geführt wurden: „Je mehr Zeit ich mit tibetischen Wandgemälden verbringe, desto mehr scheint es, dass alte tibetische Ideen über Kunst nicht so weit von unserer Essenz entfernt sind. Es ist die Gnade, die in uns empor kommt, die Motivationen, die in uns entstehen, die der Kunst Bedeutung geben. Kulturen sind im Laufe der Zeit immer unterschiedlich und immer gleich. Schlamm oder Gold … die physische Natur dessen, was unserem Geist erlaubt sich zu bewegen … das ist nicht wirklich wichtig. Pigment oder Pixel: macht nichts“, beschreibt Thomas Laird seine Erkenntnis nach den Diskussionen mit dem Dalai-Lama.
Über Jahrhunderte wussten in Tibet in der Tat nur wenige Menschen, wie man liest, und so wurden die sprechenden Wände zu einem primären Medium von Generation zu Generation. Es hat so gut funktioniert, dass einige Bedeutungen, die vor Jahrhunderten in Wandmalereien eingebettet waren, noch heute in den Köpfen der Tibeter lebendig sind. Genau darin sah der Fotograf auch seine Verantwortung: die wunderbaren Fresken von Tibet in die Welt hinauszutragen und sie dadurch für Generationen zu dokumentieren. Er folgte dabei den überaus richtigen Worten der amerikanischen Fotojournalistin Diane Arbus, die einmal meinte: „Ich bin überzeugt, dass es Dinge gibt, die niemand sehen würde, wenn ich sie nicht fotografiere.“
Über 30 Jahre nach Lairds erster Reise ist ihm dies in Form eines SUMO von TASCHEN gelungen. Benedikt Taschen persönlich nahm sich dieses Projekts an und es wurden keine Mühen und Kosten gescheut, ein neues eigenständiges Kunstwerk zu erschaffen und der Menschheit einen Schatz vor Augen zu führen, der andernfalls im Verborgenen geblieben wäre. Der Band im SUMO-Format präsentiert diese kostbaren Zeugnisse der Kultur Tibets in einer optischen Brillanz und visuellen Opulenz mit überlebensgroßen Details. Erstmals können diese komplexen Meisterwerke in strahlenden Farben, gleichmäßig ausgeleuchtet und in einer wirklichkeitsnahen Auflösung bestaunt werden.
Als Zeichen der Unterstützung hat der Dalai-Lama alle 998 Exemplare der Kunstedition des Buches unterzeichnet, und der Architekt Shigeru Ban entwarf dafür einen Tisch. Zum ersten Mal ist eine repräsentative Sammlung der größten tibetischen Wandmalereien der letzten tausend Jahre entstanden. Alles an dieser Arbeit entsprang den Berichten Thomas Lairds zufolge einem Dialog mit den Wandbildern selbst und den Erzählungen der Tibeter, einschließlich des Dalai-Lama, über dieses Weltkulturerbe: „Die Wandbilder und die Stimmen der tibetischen Bevölkerung haben mich geführt, als ich diese Bilder erschaffen habe, obwohl sie letztlich völlig modern sind. Die Leute fragen immer wieder, ob ich etwas mit Photoshop geändert hätte. Nein, das war nur eines der Werkzeuge, mit denen ich das Unsichtbare sichtbar gemacht habe.“
Das Begleitbuch zum SUMO stellt die ältesten noch erhaltenen großformatigen Wandmalereien Tibets vor und nimmt den Betrachter und Leser mit auf eine geografische Reise, die in Drathang beginnt und zu den wichtigsten Klosteranlagen Zentral- und Westtibets führt (vorbei am heiligen Berg Kailash), wo noch heute bedeutende Wandmalereien betrachtet werden können. Das Buch ist entsprechend einer Reiseroute strukturiert, die so auch von Pilgern gewählt werden könnte. Die tibetische Wandmalerei in Situ gilt als lebendige spirituelle Unterweisung und nicht als bloßes Studienobjekt der Kunstgeschichte. Ältere Wandmalereien werden daher regelmäßig restauriert, um sicherzustellen, dass die Botschaft innerhalb der Gesamtkomposition für die Nutzer weiterhin sichtbar bleibt. Dabei legen die Restauratoren Wert darauf, nur das wiederherzustellen, was noch vorhanden war, damit die ursprüngliche Aussage nicht verfälscht wird. Die Erhaltung dieser Kulturdenkmäler, die für die tibetisch-buddhistische Kultur und Kunstgeschichte von einzigartiger Bedeutung sind, ist nach wie vor eine Herausforderung, obschon seit den 1990er Jahren zahlreiche Restaurierungsprojekte durchgeführt worden sind. Die tibetischen Wandmalereien bedecken oft ganze Säle, mitunter aber auch nur eine kleine Wandtafel in einer Kapelle.
Thomas Laird resümiert nach dieser jahrzehntelangen Erfahrung in Tibet, dass es für diejenigen, die Achtsamkeit und wunderbare Gnade in der Kunst suchen, und für Tibeter, die spezielles Wissen über einen genauen Aspekt der tibetischen Kultur studieren, keine Rolle spielt, ob die Kunst, die ihre Reise antreibt, das Original in Tibet ist, ein digitales Bild mit hoher Auflösung, ein lebensgroßer Druck in einem Museum oder ein Buch: „Kunst ist in unseren Gedanken nicht in Schlamm oder Gold, nicht in Seiten oder Pixeln. Unser Geist ist der Fluss, durch den die Kunst von Generation zu Generation durch uns fließt. Zu versichern, dass es da ist, dass es hier ist, denn diese und alle zukünftigen Generationen sind Teil dessen, was uns menschlich macht.“ (www.thomaslaird.com)
Murals of Tibet ist ein einmaliger Schatz; ein unvergängliches Geschenk Tibets an die Welt, nicht nur für diese, sondern auch für zukünftige Generationen.
Richard Gere