Alfons Walde
2018 IST EIN GEDENKJAHR AN GUSTAV KLIMT, EGON SCHIELE UND KOLO MOSER, AN DREI DER GRÖSSTEN MALERPERSÖNLICHKEITEN ÖSTERREICHS. VIELLEICHT AUCH AN ALFONS WALDE, DER VOR 60 JAHREN IN KITZBÜHEL GESTORBEN IST.
Schon 1910 kam Walde zum Architekturstudium nach Wien, und bereits 1913 stellte er seine malerischen Werke in der Secession aus. Er war ihr junger Zeitgenosse, nicht ihr Schüler. In der damaligen Wiener Kunstszene zwischen Jugendstil und beginnendem Expressionismus fand er die für ihn wichtigen Begegnungen: Gustav Klimt prägte ihn mit der Farbensprache der Blumendekors. In der Freundschaft mit Egon Schiele sah Walde den Weg zum Expressiven und zu einem grafisch betonten Malduktus. Und schließlich prägten Koloman Mosers Landschaften Waldes Naturkompositionen mit den lichterfüllten Landschaftskonturen. Mit diesen Erfahrungen konnte er dann in Kitzbühel seinen eigenen Stil in Sujet, Malweise und Kolorit erarbeiten. Denn die Großstadt bot ihm nicht das Milieu für seine Kunst.
Winter- und Sportmotive prägten sein Werk, die durch ihn in der österreichischen Malerei salonfähig wurden. 1913 malte er in kleinformatigen, oft spontan skizzierten Schilderungen des Alltags das „Gasslrennen“, dann Sportler beim Schilauf, Damen auf der Schiwiese, die Gesellschaft beim Après-Ski, aber auch intime naturhafte Stimmungssujets. Der Landschaftsraum zwischen dem Hahnenkamm, dem Wilden Kaiser und den Jochberger Bergen wurde für Alfons Walde ein ihn künstlerisch stimulierendes Refugium. Zum Markenzeichen seines Naturbildes werden weiche Schneepartien im Kontrast zu felsiger, schroffer Gebirgskulisse, wie es im „Am Achrain mit Wildem Kaiser“ deutlich wird. Sein großes Anliegen: Mensch, Architektur und Natur zu einer harmonischen Einheit zu verbinden, gelang ihm etwa im „Winter in Kitzbühel“. Dagegen modellierte er in fast monochromer Sicht die „Stadt im Tauschnee“, die an Schieles Städtebilder erinnert, wie ein Porträt seiner Heimatstadt. Die Menschen in ihrer lebensfrohen Mentalität lässt er hingegen im „Bauernsonntag“ oder in der „Begegnung“ aktiv werden.
Zu seinen Hauptmotiven gelten idyllische Stimmungsbilder, Blumenarrangements und Sujets aus dem religiösen, alltäglichen und sportlichen Leben, die weltweite Verbreitung fanden. Daneben spürt man vor allem auch seine Vorliebe für den weiblichen Akt in einer subtilen Expressivität und in feinem Kolorit. Intimität und Sinnlichkeit schweben über den Motiven wie der „Erotik“. In den Dreißigerjahren wird seine Farbpalette pastoser, Themen wie „Bergweiler“ oder „Alpensommer“ dominieren, aber auch Motive wie „Almen im Schnee“ oder „Aufstieg der Schifahrer“ sind begehrt.
Als Architekt prägte er seine Heimatstadt Kitzbühel: 1926/27 entstehen die Tal- und Bergstation der Hahnenkammbahn mit dem später errichteten Hotel, 1929 baute er sein Berghaus, das auch zum „Atelier“ für seine Aktdarstellungen inmitten der Natur und abseits der Öffentlichkeit wurde. Villen und Geschäftshäuser folgten. Dennoch: Seine Hauptthemen zeigen „Tirol“ in allen Facetten: Die unberührte Natur in der großen „Winterlandschaft“ als monumentale Idylle oder das „Auracher Kirchl“ werden zu markanten Symbolbildern des alpinen Tirol.
Michael Walde-Berger über seinen Großvater
Ich wurde bei etlichen Ausstellungseröffnungen, Präsentationen etc. schon oft gefragt: Sind sie nicht stolz, einen so tollen Großvater zu haben? Und ich tue mich stets schwer, diese Frage zu beantworten, denn stolz sein kann man nur auf Dinge, die man selbst erarbeitet und selbst geleistet hat. Ich als Schauspieler erfreue mich kleiner Erfolge, die mit Alfons Walde nicht zu vergleichen sind, aber ich freue mich zutiefst für den Erfolg, den er in den Jahrzehnten nach seinem Tode gehabt hat und leider nicht erfahren durfte. − So ist es dann eher ein Gefühl der wehmütigen Freude, die man im Herzen trägt, und wohl auch Stolz, als enger Verwandter und Nachlassverwalter ein Teil dieses Wirkens sein zu dürfen.
Ich gestehe, in den Anfangsjahren meiner Beschäftigung mit dem Werk meines Großvaters war es eher eine Pflichtübung – etwas, das ich vollzog, weil ich ihm wohl etwas schuldig bin, ihm, der in unserer Familie so viel ideelles und auch materielles Glück geschaffen hat und der ein sehr fleißiger Mann war: Er arbeitete laut den Erzählungen meiner Mutter nächtelang bei Kunstlicht und vollbrachte nicht nur diese wunderbaren Landschaftskompositionen, sondern, motiviert durch sein starkes Lustempfinden, kamen auch im Werk die erotischen Blüten vor Vorschein.
Leider hatte ich nie das Glück, ihn persönlich kennenzulernen, und dennoch glaube ich, dass mir sein Gemüt und seine Seele nahegekommen sind − durch das Lesen vieler Schriftstücke, die sich im Nachlass befinden. So bekam die Arbeit für mich eine tief menschliche Komponente, die sich mit der Entdeckung seines Charakters und seines Wesens im Konflikt zwischen Schaffen, Erfolg und Aufrichtigkeit sehr wohl mit meiner Arbeit als Schauspieler vergleichen lässt.
Seine Wortwahl und Sprache sind charakteristisch für einen Tiroler, der sich „kein Blatt vor den Mund nimmt“, kurz und bündig das sagt, was er sich denkt, und dabei nie seinen Humor verliert, außer er entdeckt eine Ungerechtigkeit und wird wütend: da ist es dann mit dem Spaß vorbei, auch bei Alfons Walde. So hatte er sich zeitlebens zu seinen politischen Überzeugungen bekannt, auch in der Nazi-Zeit, was ihn beinahe ins KZ Dachau gebracht hat.
Durch viele Briefe, etwa an Freunde, und durch leidenschaftliche Ausführungen erotischer Natur an seine Geliebten, kann ich nun besser nachvollziehen, was ihn zu so einem fleißigen Maler gemacht hat. Immer wieder kommt der Satz vor: „Meine Frau kostet mir so viel Geld, ich muss arbeiten.“ Aber letztlich, glaube ich, war er eher vom Drang zu kreieren getrieben. Ich erinnere mich spontan an einen der vielen Briefe der 50er Jahre an seine Geliebte Lotte von Minkus, die er inständig bat, ihm, wenn sie ihn schon nicht persönlich besuche, wenigstens von ihren erotischen Abenteuern zu berichten, denn, er brauche diese Fantasien zum Glück seiner Seele und als Energiespender, um Kraft für seine Kunst zu tanken.
So lag er im Spannungsfeld zwischen Kunst und Leidenschaft. Beides wurde in ihrer Existenz nicht hinterfragt, aber dennoch in ihrem Naturell genau geprüft. Beide Kräfte waren durch und durch selbstverständlich und aufrichtig, wie auch er als Mensch. Resümierend darf ich sagen, dass er wohl mein bester Freund geworden wäre, hätte ich ihn erleben dürfen. So fühle ich mich ihm vielleicht weniger als Enkel als vielmehr als bester Freund verbunden.
Das Innerste, den Seelenausdruck, fremdweltlich und nach fremden Maßstäben bewerten zu lassen, bedeutet: sein pochendes Herz auf den Tisch zu legen und zuzulassen, dass andere mit dem Hammer draufschlagen. Als Künstler seine Große Sehnsucht zu leben heißt aber, weder Gott noch perfekt zu sein. Es heißt vielmehr: das Unerreichbare ernst zu nehmen, als Wegweiser. Und man braucht Mut – allen Mut seines je eigenen Künstlerseins, der wegweisenden Ahnung ins Zukünftige, Ungewisse, Offene zu folgen. Denn es ist ein Sich-Messen mit dem Absoluten und man ist immer der erste der diesen Weg geht.
Autoren
MICHAEL WALDE-BERGER geboren in Wien, zum Teil in Tirol aufgewachsen, studierte Schauspiel in New York (Lee Strasberg); er lebte und arbeitete 5 Jahre in Amerika. Es folgten internationale Film- und Theaterproduktionen. Neben seiner Tätigkeit als Schauspieler widmet er sich seit 1996 dem Nachlass seines Großvaters Alfons Walde.
GERT AMMANN (*1943 in Bregenz) ist ein österreichischer Kunsthistoriker. Ammann habilitierte sich 1983 für Österreichische Kunstgeschichte. Er war von 1985 bis 2005 Direktor des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum Innsbruck und ist Autor der Monografie „Alfons Walde“, Tyrolia-Verlag, 6. Auflage 2012.