Elfi Baumgartner
DIE ENTSCHEIDUNG, WELCHES MEDIUM EIN KÜNSTLER ODER EINE KÜNSTLERIN WÄHLT, UM SICH AUSZUDRÜCKEN, IST IMMER EINE SEHR PERSÖNLICHE. IN DER MALEREI STEHEN TRADITIONELL DIE AUF PIGMENTEN BASIERENDEN TECHNIKEN MIT VERSCHIEDENEN BINDEMITTELN, WIE DAS FRESKO, DIE ÖL- ODER TEMPERAMALEREI, DIE GOUACHE, ODER DAS AQUARELL UND DIE SYNTHETISCHEN ACRYLFARBEN ZUR VERFÜGUNG. DOCH ELFI BAUMGARTNER WÄHLTE VON ANFANG AN: DIE WOLLE. AUCH SIE VERWENDET PIGMENTE, MIT DENEN SIE IHRE WOLLEN SELBST FÄRBT UND DADURCH IN DER TRADITION DER ALTEN MEISTER UND AUCH HEUTIGER BEDEUTENDER MALER STEHT, DIE IMMER IHRE FARBEN SELBST HERSTELLTEN UND IMMER NOCH HERSTELLEN.
Und genau diese Suche nach der künstlerischen Freiheit war der Grund, warum sie sich während ihres Studiums an der damaligen Akademie für angewandte Kunst, der heutigen Universität für Angewandte Kunst, von der Grafik und dem Entwerfen von Stoffdrucken der Gobelinweberei zuwandte. Ausschlaggebend dabei war vor allem Josef Schulz, der damalige Assistent an der Meisterklasse für Mode und Textil von Gertrude Höchsmann. Nach Baumgartners eigenen Aussagen war er für sie die prägende Künstlerpersönlichkeit, von dem sie aber auch die technische Ausbildung, vom Färben der Wollen bis zur Ordnung des Arbeitsmaterials, erhielt. Ihre Diplomarbeit entstand unter Schulz 1970 in der Meisterklasse für Malerei von Carl Unger.
“…denn ‘gewebte Farbe’ sieht und tastet man zugleich. (…) Eine uneben ungleichmäßige Landschaft winziger Farbkuppeln und farbiger Schattentäler erblickt man; den hüpfenden Puls des farbigen Fadens, den die schöpferische Hand geführt.”
Friedrich Danielis
Josef Schulz, der später die Meisterklasse für Textiles Gestalten an der Akademie der bildenden Künste leitete, gehörte mit Fritz Riedl zu den Erneuerern der Tapisserie-Kunst in Österreich. Letzterer wurde 1963 mit dem Preis der Biennale von São Paolo ausgezeichnet. Den Anstoß dazu gab nach dem Zweiten Weltkrieg eine Ausstellung zeitgenössischer französischer Gobelins in Wien. Vor allem die in enger Zusammenarbeit mit der Gobelinmanufaktur in Aubusson geschaffenen freien Arbeiten von Jean Lurçat öffneten neue Wege. Nun webte man nicht mehr nach Rasterkartons, sondern nach eigenen Skizzen. Die Künstler waren nun sowohl Entwerfer als auch Ausführende, wobei sich Lurçat noch strikt an das Nummerieren der Farbmelées hielt, um das exakte Vervielfältigen durch die Manufakturen zu gewährleisten.
Riedl und Schulz schufen jedoch ausschließlich Unikate, und genau dieser Ansatz fasziniert Elfi Baumgartner: nämlich die Freiheit, je nach Licht und Stimmung Flächen so zu gestalten, dass sie den Charakter oder die Maltechnik des Entwurfes wiedergeben und ihr auch noch während des Webens die Möglichkeit geben, mit der Wolle zu malen. Vergleicht man die fertigen Gobelins mit ihren Entwurfsskizzen, so erkennt man die Strukturen der Collagen oder Ölkreiden, oder den malerischen Duktus des Aquarells. Mit der Zeit und der Erfahrung wurden ihre Entwürfe immer skizzenhafter, da ihr nun bewusst wurde, wie sie diese verarbeiten konnte. Bei den Skizzen handelt es sich nun nicht um exakte Vorlagen, die umgesetzt werden, sondern um Momentaufnahmen von Stimmungen, Farbeindrücken oder Erinnerungsbildern. Auch die ausgeführten Tapisserien wurden immer abstrakter, wie bei den Feldern in Kastilien oder den Bergen von Toledo, durch die sie vom Blick aus dem Flugzeug beim Landeanflug in Madrid inspiriert wurde. Durch ihr ganzes OEuvre zieht sich als Grundthema das Festhalten von Stimmungen der Natur, wobei insbesondere die Behandlung des Lichtes eine immer bedeutendere Rolle übernimmt. So zerfließen wie in der Aquarellskizze auch im ausgeführten Gobelin „Im Reich des Leguan” die Farben durch die dominierende Lichtquelle.
Ihr Ansatz bleibt immer derselbe, ob es sich um eine persönliche Arbeit oder einen Auftrag, ob es sich um kleine oder sehr große Formate handelt. Neben privaten Arbeiten erhielt Elfi Baumgartner zahlreiche großformatige öffentliche Aufträge. So in ihrer Heimatstadt Innsbruck von der Sparkasse Tirol, von der Diözese von Tirol für den Dom von St. Jakob in Innsbruck und von der Stadt Innsbruck für die Olympischen Winterspiele von 1976, oder in Wien für das Sportzentrum in der Südstadt. Zwei der bedeutendsten Aufträge wurden von der Deutschen Bank vergeben, der für die Zweigstelle Essen 1978 und für das großformatige Triptychon in der Zweigstelle in New York 1983/84.
Die aktuellen Arbeiten werden jetzt von ihren eigenen Fotografien inspiriert, wie z.B. in den Feldern von Castelluccio di Norcia, die sie nun ohne Skizzen − nur aufgrund des Erinnerungsbildes − direkt am Webstuhl kreiert. Damit hat Elfi Baumgartner die von ihr schon von Beginn an angestrebte völlige künstlerische Freiheit erreicht, das Malen mit der Wolle.