Exzessiver Lebenswandel und eine gemeinsame Muse verbinden Bacon und Giacometti
Bacon und Giacometti teilten zeit ihres Schaffens einen unerschütterlichen Glauben an die Bedeutung der menschlichen Figur. Intensiv beschäftigten sie sich mit der Rolle der Tradition, denn beide studierten, kopierten und paraphrasierten die alten Meister. Beide interessierten sich für die Herausforderung der zweidimensionalen und dreidimensionalen Darstellung von Raum, wobei sie käfigartige Gebilde in ihre Werke integrierten, um die Figuren in ihrer Umgebung zu isolieren. Zudem befassten sie sich mit dem fragmentierten und deformierten Körper und wandten sich obsessiv dem Porträt und der damit verbundenen Darstellung menschlicher Individualität zu.
Jeder der beiden reklamierte für sich, ein „Realist“ zu sein.
Giacometti und Bacon setzten sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit denselben existentiellen Fragen des modernen Menschen auseinander: Einsamkeit und Schmerz, Sexualität und Gewalt, Leben und Tod – die Nöte des Seins. Außerdem teilten sich die beiden auch eine Muse und zwar die Malerin Isabel Rawsthorne. Für beide Künstler stand sie Modell, mit beiden war sie Erzählungen zufolge im Bett. Sie interpretierten Rawsthorne auf eigentümliche Weise: aus unterschiedlicher Distanz von Giacometti betrachtet und als furienhafte „Femme fatale“ inszeniert bei Bacon.
Der britische Maler und der Schweizer Bildhauer lernten sich Anfang der 1960er Jahre durch ihre Muse persönlich kennen. 1965 waren sie bereits so gut miteinander befreundet, dass Bacon Giacometti in der Tate Gallery in London besuchte, während dieser dort seine Ausstellung einrichtete. Eine Serie von Aufnahmen des englischen Fotografen Graham Keen dokumentiert diese Begegnung und zeigt beide Künstler in einen anregenden Dialog vertieft. Mehr als ein halbes Jahrhundert später treffen nun diese beiden bedeutenden Künstler in der Fondation Beyeler wieder aufeinander, und das erwähnte Doppelporträt von Rawsthorne bildet den Auftakt der Ausstellung.
Während das Expressive und zwanghaft Extrovertierte der Darstellungen Bacons den Betrachter sofort in ihren Bann ziehen, kennzeichnen die Porträts Giacomettis eine Zurückhaltung, die nicht weniger hypnotisierend wirkt: Auch diese Personen veranschaulichen eine Situation, die von Zwang geprägt ist, ihnen scheint der Druck eingeschrieben zu sein, den der Künstler auf seine Modelle ausübte, indem er sie zu absolutem Stillsitzen nötigte. Dieser Druck wandte sich auch gegen Giacometti selbst, der – sein vermeintliches Nicht-Können verfluchend – die Bilder immer wieder von Neuem begann, bis die Porträts radikal reduziert und extrem verdichtet waren.
Das fortgesetzte Scheitern Giacomettis war Programm. Hätte er nicht ständig das Gefühl gehabt zu scheitern, hätte ihm womöglich der Impuls gefehlt weiterzumachen. Arbeiten scheint für ihn zu einem guten Teil auch die Suche nach persönlicher Grenzüberschreitung gewesen zu sein, so als habe er sich für sein Künstlerdasein bestrafen wollen. Dies traf wohl auch auf Bacon zu, auch wenn sich in dessen Bildern die Aggression vor allem nach außen zu richten scheint.