Michelangelo, Kreisler, Van Meegeren
Mastermind – Einmal Anders, denn in diesem Bericht wird von Personen erzählt, die mit ihrem Können für negative Schlagzeilen sorgten: Fälscher. Täuschung wurde schon von den urzeitlichen Jägern angewandt, wenn sie die Laute der Tiere als Lockruf nachahmten. Höhlenmalerei belegt das. Diese Täuschung kann man als lebensnotwendige Fertigkeit betrachten, und niemand wird den Jägern den Erfolg missgönnt haben. Und heute? Wenn spektakuläre Kunstfälschungen bekannt werden, bewundert man die Fertigkeit des Täuschers wie seinerzeit die des Jägers. Häme fällt hingegen über die Experten, die des Fälschers Kunst zuvor als Werke großer Meister anerkannt haben. Mit der Begeisterung, bisher Unbekanntes zu entdecken und der Welt als erster bekannt zu machen, geht mangelnde Sorgfalt einher. Schlimmer wird es, wenn der Experte für sein Gutachten hohe Beträge fordert und erhält. Dann ist er kein sich Irrender mehr, sondern ein Betrüger wie der Fälscher.
Zahlreiche Fälschungen erregten Aufsehen: Angebliche Hitler-Tagebücher von Konrad Kujau, für die die Illustrierte „Stern“ 1983 fast 10 Millionen DM bezahlte; der Ungar Elmyr de Hory, über den Orson Welles einen Film drehte; Christian Goller, dessen Grünewald-Fälschung die Wand eines Museums zierte; 2005 die Entdeckung einer Ausgabe von Galileo Galilei mit bisher unbekannten Tuschzeichnungen, von Experten als echt gefeiert − die Aufzählung ließe sich erheblich fortführen.
Drei Fälscher beschäftigen mich seit jungen Jahren: der Bildhauer Michelangelo, der Violinist Fritz Kreisler und der Maler Henricus Antonius „Han“ van Meegeren.
Giorgio Vasari (1511−1574) überliefert in seinen 1550 und 1568 veröffentlichten „Le Vite…“ mehr als 100 Künstlerbiographien, darin auch von der Fälschung einer 80 cm großen Marmorskulptur eines Cupido, in die der junge Michelangelo verwickelt war. Es gibt zwei Versionen der Geschichte. Der Kardinal Lorenzo di Pierfrancesco, für den Michelangelo in Florenz tätig war, habe empfohlen, Michelangelo solle die Statue des Cupido vergraben, um sie antik wirken zu lassen, und dann in Rom teuer verkaufen. Ein anderer Bericht sagt, dass es der Kunsthändler Baldassare di Milanese war, der den Cupido in seinem Römer Weinberg vergrub und dann als antik für 200 Scudi an Raffaele Riario, Kardinal von San Giorgio verkaufte. Der Betrug flog auf, als ein Besucher des Kardinals erklärte, den Cupido in Florenz gesehen zu haben, als er noch nicht antik war. Milanese musste gegen Zahlung der 200 Scudi den Cupido zurücknehmen. An Michelangelo waren zuvor lediglich 30 Scudi gezahlt worden, der Cupido habe leider nicht besser verkauft werden können. Michelangelo als betrogener Betrüger? Vasaris Bericht legt es nahe, egal, welche Variante richtig ist.
Gefälscht wird in allen Bereichen, sogar in der Musik. Der weltberühmte Violinist Fritz Kreisler (1875−1962) wurde nicht nur als virtuoser Interpret gefeiert, er komponierte auch. Dabei bezeichnete er einige seiner eigenen Kompositionen als Werke großer Meister, deren Autographen er besitze: Antonio Vivaldi, Gaetano Pugnani, Giuseppe Tartini. Die Musikkritiker waren begeistert ob der Entdeckungen, die Kreisler in seinen Konzerten vortrug. Der immer drängendere Wunsch der Musikwissenschaft um Einsicht in die Autographen, zwecks Einordnung in das jeweilige Gesamtwerk, führte 1935 zum Skandal, als Kreisler erklärte, die Werke selbst komponiert zu haben. Die zuvor jubelnden Musikkritiker waren beschämt. Der Popularität Kreislers tat es keinen Abbruch. Übrigens sagt man auch Leopold Mozart nach, er habe in seiner Violinschule den Teil über die Kunst des Verzierens von Tartini übernommen. Plagiat oder Nachahmung? Bert Brechts Dreigroschenoper geht auf John Gays Beggar Opera zurück, manche seiner Gedichte auf François Villon. In den letzten Jahren wurde publik, dass die Dissertationen etlicher Politiker Plagiate sind. In New York fertigte der Chinese Pei-Shen Qian Gemälde, die eine berühmte Galerie für zig Millionen als Rothko, Pollock und de Kooning verkaufte.
Ein erfolgreicher Fälscher war der Holländer Han van Meegeren (1889−1947). Seine Vermeer-Gemälde wurden zu enormen Preisen von Museen, Händlern und Sammlern gekauft. Und auch der Reichsmarschall Hermann Göring kaufte für 1.650.000 Gulden einen van Meegeren-Vermeer. Das führte 1945 zu einer Anklage van Meegerens wegen Kollaboration mit dem Feind. Das ließ seine Ehre nicht zu und er erklärte, den Göring-Vermeer selbst gemalt zu haben, was ihm niemand glaubte. Im Gefängnis fertigte er einen Beweis-Vermeer und listete die anderen von ihm gemalten Vermeer-Gemälde auf. Van Meegeren hatte sich gründlich auf seine Fälschungen vorbereitet. Er studierte Technik und Material der alten Meister, er malte auf Leinwände alter Gemälde, deren Malerei er zuvor entfernte, er benutzte Farbpigmente, die zur Zeit Vermeers üblich waren, und doch unterliefen ihm auch Fehler, die aber erst viel später durch chemische Analysen erkannt wurden.
Eine vom Gericht bestellte internationale Gutachter-Kommission untersuchte gut zwei Jahre lang, ob die von van Meegeren genannten Gemälde wirklich falsch waren. Schließlich gab unter anderem ein in Bleiweiß enthaltener Kunststoff des 20. Jahrhunderts den Nachweis der Fälschung. Zudem war es ein modernes Bleiweiß, das es zur Zeit Vermeers noch nicht gab. Seit 1967 gelten diese Analysen endgültig als gesichert. Allerdings gab es zu Lebzeiten van Meegerens auch schon Experten, die seine Vermeer als falsch bezeichneten. Verurteilt wurde Han van Meegeren nicht als Kollaborateur, sondern wegen Betrugs und Steuerhinterziehung. Auch auf deliktisches Vermögen beansprucht der Staat Steuern. Schwierig nur, das zu deklarieren. Und: Seine Genialität wird dem Fälscher nur dann nicht zum Verhängnis, wenn er unerkannt bleibt. Wie viele Unerkannte mag es geben?